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Grenzüberschreitende Diskurse - Konstituierung von Kulturlandschaft durch grenzüberschreitende Diskurse und Diskurskoalitionen

Fachliche Zuordnung Soziologische Theorie
Förderung Förderung von 2008 bis 2013
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 61499250
 
Erstellungsjahr 2013

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Vorhaben beruht auf der Annahme, dass Landschaften nicht einfach nur ‚da sind‘, sondern ‚gemacht‘ werden. Eine Landschaft zu ‚machen‘ oder zu konstruieren bedeutet, physische Objekte, Handlungen, Personen und Aussagen so miteinander in Beziehungen zu setzen, dass etwas Kohärentes, Ganzes daraus entsteht. Dieses Ganze nennen wir ‚Diskurs‘. Wie Landschaften diskursiv konstruiert werden, lässt sich besonders gut im Zusammenhang mit Konflikten um die Nutzung der Windenergie untersuchen. Denn an der Windenergie entzünden sich derzeit die meisten Auseinandersetzungen um Landschaft. In Fallstudien zu Debatten über Windkraftprojekte in Wolfhagen (Nordhessen) und Ingersheim (Region Stuttgart) konnten wir zeigen, dass die Befürworter Landschaften ‚produzieren‘, die dem Klimaschutz dienen, die eine große Windhöffigkeit aufweisen, die seit langem genutzt werden, vorbelastet sind und ohnehin ständigen Veränderungen unterliegen. Windräder sind selbstverständliche Bestandteile dieser Landschaften. Im Falle von Ingersheim ist die Pro-Klimaschutz- und Pro-Windenergie-Landschaft zugleich eine Anti-AKW-Landschaft. Ganz anders hingegen in den Diskursen der Gegner: Hier treten dieselben geographisch abgrenzbaren Gebiete als Landschaften in Erscheinung, in denen seltene Tiere und Pflanzen leben, die sehr naturnah und schützenswert sind und die eine wichtige Funktion für Gesundheit, Naherholung und Tourismus übernehmen. Naturerleben und das Kartieren seltener Arten sind selbstverständliche Elemente dieser Landschaften. Es handelt sich also um Anti- Windenergie-Landschaften, die aufgrund ihres hohen Wertes vor Windrädern geschützt werden müssen. Interessant ist, über welche Argumentationsmuster Windkraftprojekte mit dem traditionellen Konzept von Landschaft als schön, naturnah, erholsam, heimatlich und identitätsstiftend verbunden werden: Entweder werden sie als das kleinere Übel im Vergleich zu anderen Arten der Energiegewinnung dargestellt oder es wird auf die Möglichkeiten verwiesen, Windkraftanlagen durch gute Planung in wenig sensiblen Gebieten zu konzentrieren. Die Erkenntnisse verdeutlichen, dass unterschiedliche Landschaften gleichzeitig aus ein und demselben Gebiet ‚gemacht‘ werden können und dass daher Toleranz gegenüber abweichenden Konstrukten angebracht ist. Skepsis ist geboten gegenüber dem Urteil von Experten, die den Charakter oder den Wert einer Landschaft unumstößlich definieren wollen. Es ist bemerkenswert, wie eng die Landschaftskonzepte in ortsbezogenen Windenergie-Diskursen den allgemeinen Landschaftskonzepten entsprechen, die in überörtlichen Windenergiediskursen der vergangenen Jahre vorzufinden sind. Ein wenig hat uns auch die Tatsache überrascht, dass Windräder bislang nur sehr verhalten als ästhetisch ansprechend, als touristische Attraktion und als Bereicherung dargestellt werden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2010), Diskurse, Institutionen und Governance: Sozialwissenschaftliche Zugänge zum Untersuchungsgegenstand Kulturlandschaft. Berichte zur deutschen Landeskunde, 84, 1, 9-25
    Gailing, L. & Leibenath, M.
  • (2012), Diskursive Konstituierung von Kulturlandschaft am Beispiel politischer Windenergiediskurse in Deutschland. Raumforschung und Raumordnung, 70, 119-131
    Leibenath, M. & Otto, A.
  • (2012), Von der Schwierigkeit, 'Landschaft' oder 'Kulturlandschaft' allgemeingültig zu definieren. Raumforschung und Raumordnung, 70, 95-106
    Gailing, L. & Leibenath, M.
  • (2013), Konstruktivistische, interpretative Landschaftsforschung: Prämissen und Perspektiven. In: Leibenath, M., Heiland, S., Kilper, H. & Tzschaschel, S. (Hrsg.), Wie werden Landschaften gemacht? – Sozialwissenschaftliche Perspektiven auf die Konstituierung von Kulturlandschaften (7-37). Bielefeld: Transcript
    Leibenath, M.
  • (2013), Local debates about ‘landscape’ as viewed by German regional planners: Results of a representative survey in a discourse-analytical framework. Land Use Policy, 32, 0, 366-374
    Leibenath, M. & Otto, A.
  • (2013), The social construction of landscapes: Two theoretical lenses and their empirical applications. Landscape Research, Volume 40, 2015 - Issue 2
    Gailing, L. & Leibenath, M.
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.1080/01426397.2013.775233)
  • (2013), Wie werden Landschaften gemacht? – Sozialwissenschaftliche Perspektiven auf die Konstituierung von Kulturlandschaften. Bielefeld: Transcript
    Leibenath, M., Heiland, S., Kilper, H. & Tzschaschel, S. (Hrsg.)
  • (2013), Windräder in Wolfhagen – eine Fallstudie zur diskursiven Konstituierung von Landschaften. In: Leibenath, M., Heiland, S., Kilper, H. & Tzschaschel, S. (Hrsg.), Wie werden Landschaften gemacht? – Sozialwissenschaftliche Perspektiven auf die Konstituierung von Kulturlandschaften (205-236). Bielefeld: Transcript
    Leibenath, M. & Otto, A.
 
 

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