Detailseite
Projekt Druckansicht

Informationsstruktur und neurokognitive Grundlagen: Inferenzen und Wortstellungsvariationen

Fachliche Zuordnung Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft, Experimentelle Linguistik, Typologie, Außereuropäische Sprachen
Förderung Förderung von 2008 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 61990192
 
Erstellungsjahr 2017

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Emmy Noether-Projekt hatte zum Ziel, den Einfluss informationsstrukturellen Wissens auf die Verarbeitung referentieller Prozesse zu untersuchen. Sprecher nutzen einen bestimmten Code um Information zu „verpacken“ und den Adressaten dadurch die Informationsaufnahme zu erleichtern. So wird zum Beispiel im Deutschen die Information, über die eine Aussage gemacht wird („Topik“), als erstes genannt, was zu nicht-kanonischer Wortstellungsvariation führen kann; im Japanischen wird neben positionalen Hinweisen ein morphologischer Marker (-wa) verwendet, um Topikalität zu signalisieren. Mit Hilfe ereigniskorrelierter Potentialmessungen (EKPs) wurde untersucht, welche Prozesse bei der Verarbeitung referentieller Ausdrücke und informationsstruktureller Hinweise zu beobachten sind. Die Ergebnisse des Projektes haben das folgende gezeigt: • Positionsspezifische Hinweise beeinflussen die referentielle Verarbeitung. So sind z.B. im Deutschen unterschiedliche Verarbeitungsmuster für satzinitiale und –mediale referentielle Ausdrücke zu beobachten. • Referenzialisierungsprozesse unterliegen sprachspezifischen Variationen. So obliegen z.B. satzinitiale referentielle Ausdrücke im Deutschen, Japanischen und Mandarin Chinesischen sprachspezifischen Restriktionen. • Prosodische Realisierung des Informationsstatus beeinflusst die Sprachverarbeitung unmittelbar. • Semantische Vorbahnung überschreibt Definitheitseffekte, während andere formspezifischen Hinweise die inkrementelle Verarbeitung beeinflussen. Auf Basis der gewonnenen Befunde zu Referenzialisierungsprozessen lässt sich eine Spracharchitektur postulieren, die auf zwei grundlegende Mechanismen zugreift : • Erwartungsgesteuerte Verarbeitung beeinflusst das Interpretationssystem und kontextuelle Vorbahnung reduziert den Verarbeitungsaufwand. Dies zeigt sich durch stabile N400-Effekte für den Faktor Informationsstatus; aber auch andere kontextuelle Faktoren, die eine bestimmte Erwartungshaltung auslösen, führen zu N400-Modulationen. • Referentielle Verarbeitung ist ein diskursdynamischer Prozess. Informationsverpackungseffekte führen zu diskursinternen Operationen, die die Aktualisierung der Diskursrepräsentationstruktur fordern und sich in einer Späten Positivierung widerspiegeln. Das Projekt leistet einen Beitrag zur neurokognitiven Modellierung durch die Erweiterung bisheriger Modelle um diskursbasierte Phänomene. Darüber hinaus liefert es neue Erkenntnisse zur Schärfung der Interpretation von EKP-Effekten: • Diskurs-dynamische Operationen bestärken (diskurs)semantische Erklärungen der Positivierung (cf. „semantische P600“) und informationsstrukturelle Effekte fordern eine extra-lexikalische Erklärung der N400 ein. • Ergänzende Zeit-Frequenzanalysen unterstützen die funktionale Differenzierung zeitgleich auftretender Effekte. Im gestörten Sprachsystem von Broca Aphasikern führt die Präsentation von Sätzen im Kontext nicht zu einem generellen Verarbeitungsvorteil.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung