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Dynamik semiflexibler Biopolymere in heterogener Umgebung

Antragsteller Professor Dr. Thomas Franosch, seit 11/2010
Fachliche Zuordnung Statistische Physik, Nichtlineare Dynamik, Komplexe Systeme, Weiche und fluide Materie, Biologische Physik
Förderung Förderung von 2008 bis 2014
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 64017845
 
Erstellungsjahr 2013

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Zellinnere besteht aus einer dichten Packung einer Vielzahl von Proteinen als auch aus einem Netzwerk von steifen Biopolymeren. Für intrazelluläre Transportprozesse stellt sich damit in natürlicher Art die Frage, wie sich steife Biopolyemere durch derartige Strukturen fortbewegen können, anschaulich gesprochen geht es um die Bewegung einer Nadel im Heuhaufen. Hierfür wurden im Rahmen des Projekts Computersimulationen und analytische Zugänge für vereinfachte Modellsysteme entwickelt, die jeweils in idealisierter Form Teilaspekte des Problems abdecken. Als Idealisierung der steifen Biopolymere wurden unendlich dünne starre Nadeln gewählt, die sich zunächst in einer Ebene in Anwesenheit von Punkthindernissen bewegen. Bereits dieses simplifizierte Modell weist genügend Komplexität auf um den Einfluss von Verschlaufungen zu studieren und etablierte theoretische Konzepte der Polymerphysik zu testen. Als völlige Überraschung stießen wir zunächst auf eine Überhöhung der Diffusion bei höherer Hinderniskonzentration statt einer Unterdrückung bei Newtonscher Dynamik. Diesen Effekt konnten wir näherungsweise erklären, jedoch ist er für den Transport in der Zelle nicht relevant, da hier die Zellflüssigkeit die Bewegung überdämpft. In Simulationen, welche die Dämpfung beinhalten, konnten wir dann charakteristische Größen, wie z.B. die Abhängigkeit des Durchmessers der effektiven Röhre, in der die Bewegung stattfindet, erstmals quantitativ vermessen und mit unseren zugehörigen theoretischen Vorstellungen in Einklang bringen. Als Highlight dieses Projektteils ergab sich eine phänomenologische Theorie für die nach Orientierung und Translation aufgelösten Bewegung. Die entscheidende Beobachtung, die es uns ermöglichte diese Theorie zu entwickeln, war, dass sich verschiedene relevante Längenskalen ergeben, welche die Relaxation im Tubus, die Reorientierung, sowie die translatorische Bewegung bestimmten. Als zweiten interessanten Aspekt der Bewegung im Zellinneren haben wir die Effekte des dichten Packens untersucht. In diesem Projektteil konnten wir mittels Computersimulation das Eintreten von sogenanntem anomalen Transport in einem labyrinthartigen Hindernisparcours als Funktion der Packungsdichte studieren. Wichtigste Neuerung war hier die Dynamik eines freien Teilchens auf die überdämpfte Dynamik zu übertragen, wie sie in Lösung z.B. dem Zellinneren stattfindet. Neben der erwarteten Verlangsamung des Transport nahe einer kritischen Hindernisdichte, welche den Übergang zum Zusammenbruch von langreichweitigem Transport signalisiert, konnten wir erstmals persistente Korrelationen in den Geschwindigkeiten der Teilchen beobachten. Diese sind zwar für freie Teilchen seit langem erwartet und bekannt, jedoch ist völlig neu, dass derartige Effekte auch in Lösung auftreten. Erstaunlicherweise lassen sich diese Korrelationen selbst bei dichter Packung durch eine Entwicklung in erster Ordnung der Hindernisdichte quantitativ beschreiben. Wir konnten die zugehörige Theorie entwickeln, indem wir uns der Methoden der Streutheorie der Quantenmechanik bedienten, und dann erfolgreich gegen unsere Simulation testen. Ich betrachte diesen Zugang als äußerst erfolgversprechend auch für weitere theoretische Entwicklungen, beispielsweise für extern gezogene Teilchen. Leider konnten wir zu der spannenden Frage des Einflusses der Biegesteifigkeit auf die Bewegung in dicht gepackten netzwerkartigen Strukturen noch keine abschließenden Antworten finden. Erste Resultate gibt es bereits, diese befinden sich jedoch noch in der Auswertung.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Entangled Dynamics of a Stiff Polymer; Phys. Rev. E 77, 060904(R) (2008)
    F. Höfling, T. Munk, E. Frey, and T. Franosch
  • Enhanced diffusion of a needle in a planar course of point obstacles, Phys. Rev. Lett. 101, 120605 (2008)
    F. Höfling, E. Frey, and T. Franosch
  • Effective Perrin theory for the anisotropic diffusion of a strongly hindered rod, Europhysics Letters 85 (2009) 30003
    T. Munk, F. Höfling, E. Frey, and T. Franosch
  • Anomalous diffusion develops among crowding proteins bound to a supported lipid bilayer, Soft Matter 6 2648-2656 (2010)
    M. Horton, F. Höfling, J.O. Rädler, and T. Franosch
  • Localization transition in the two-dimensional Lorentz model, EPJ-ST 189(1), 103-118 (2010)
    T. Bauer, F. Höfling, T. Munk, E. Frey, and T. Franosch
  • Persistent memory for a Brownian walker in a random array of obstacles, Chemical Physics 375, 540-547 (2010)
    T. Franosch, F. Höfling, T. Bauer, and E. Frey
  • Anomalous transport resolved in space and time by fluorescence correlation spectroscopy, Soft Matter 7, 1358-1363 (2011)
    F. Höfling, K.-U. Bamberg, and T. Franosch
  • Space-resolved dynamics of a tracer in a disordered solid, J. Non-Cryst. Solids 357(1), 472-478 (2011)
    T. Franosch, M. Spanner, T. Bauer, G.E. Schröder-Turk, F. Höfling
  • Anomalous transport in the crowded world of biological cells, Rep. Prog. Phys. 76 (2013) 046602
    F. Höfling and T. Franosch
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1088/0034-4885/76/4/046602)
 
 

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