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Prozesse der Konstituierung eines "Weltkulturerbes" und dessen Bedeutung am Beispiel Angkors (Kambodscha)

Fachliche Zuordnung Ethnologie und Europäische Ethnologie
Förderung Förderung von 2008 bis 2015
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 25905063
 
Erstellungsjahr 2014

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Forschungsprojekt hat sich insgesamt mit sozialen, kulturellen, ökonomischen und politischen Prozessen befasst, die im Zusammenhang mit der Ernennung eines materiellen oder immateriellen UNESCO-Weltkulturerbes in Kambodscha stehen. Diese Prozesse wurden auf drei Ebenen untersucht: 1. Die Fragen nach den Auswirkungen der UNESCO-Ernennung von Angkor Park als Weltkulturerbe auf die lokale Bevölkerung und in welcher Weise diese an der touristischen Inwertsetzung teilhat, stand im Zentrum der Forschung. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass der Erhalt des Weltkulturerbes als archäologisches und historisches Ensemble und seine Öffnung für den internationalen Tourismus (2 Mio. Besucher pro Jahr) für Kambodscha höchste Priorität genießen. Am immensen ökonomischen Profit – Eintrittspreise, Siem Reap mit seinen aus hunderten von Restaurants, Pensionen und Hotels bestehenden touristischen Infrastruktur – partizipieren die im Angkor-Park lebende Bevölkerung sowie die im Gastgewerbe tätigen lokalen UnternehmerInnen nur minimal. Es sind in erster Linie nationale und transnationale Unternehmen, die von der ökonomischen Inwertsetzung des Weltkulturerbes Angkor profitieren. Umgekehrt schränken die mit dem Weltkulturerbe verbundenen Regelungen (z.B. Zonierung, aber auch diverse Auflagen des kambodschanischen Staates, etwa bezüglich des Hausbaus, der Nutzung des Landes, etc.) das Leben der Angkor-Park-Bewohner erheblich ein. 2. Die Untersuchungen über Aushandlungsprozesse im Zusammenhang mit immateriellem Kulturerbe, die zu einer UNESCO-Ernennung führen sollen, zeigten, dass die machtvollsten Akteursgruppen – Regierungs- und Behördenvertreter, die oftmals in Netzwerken agieren – sich am Leitbild eines idealisierten Angkors orientieren und einen entsprechend elitären Kulturbegriff verwenden. Die Auswahlkriterien der aktuell zu nominierenden performativen Genres sind uneindeutig. Die Auswahl (mit wechselnden Ergebnissen) scheint vor allem nach individuellen Favorisierungen zu geschehen. In jedem Fall sind Künstlergruppen beim Auswahlprozess und der prinzipiellen Entscheidungsfindung faktisch nicht beteiligt. Der Auswahlprozess ist top-down orientiert. Das ausgewählte Genre schließlich wird vom Staat durch verschiedenste Regelungen standardisiert und festgeschrieben. Eine lebende Interpretation der Kunstform bleibt jenen Künstlergruppen vorbehalten, die vom Staat unabhängig agieren, von diesem allerdings auch nicht offiziell anerkannt und unterstützt, sondern zum Teil sogar sanktioniert werden. Es sind in erster Linie zivilgesellschaftliche Organisationen, welche die Bemühungen der Künstlergruppen zu bündeln versuchen, sie fördern und ihnen eine Stimme verleihen. 3. Die Analyse des Ernennungsprozesses der Tempelanlage Preah Vihear an der kambodschanisch-thailändischen Grenze als UNESCO-Weltkulturerbe Kambodschas verdeutlichte, dass die von der UNESCO in Auftrag gegebenen Expertenberichte vor allem auf die archäologischen und kunsthistorischen Aspekte der Monumente fokussierten. Die konfliktreiche politische Geschichte, die in der Kolonialzeit begründet ist und im Verlauf der vergangenen 100 Jahre zu zahlreichen, auch militärischen Auseinandersetzungen zwischen Kambodscha und Thailand geführt hatte, blieb weitgehend unberücksichtigt. Diese – wie sich zeigte – Fehleinschätzung führte schließlich zu einer ernsthaften „Verstimmung“ zwischen beiden Staaten und zu einem blutigen Grenzkonflikt, bei dem auch das Weltkulturerbe Schaden nahm. Mit der Einrichtung eines International Coordinating Committee for the Safeguarding and Development of the Historic Site of Preah Vihear möchte die UNESCO die heikle Situation, in die auch sie durch den Ablauf der Nominierung geraten ist, entschärfen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Sbek Thom nach seiner UNESCO Zertifizierung: Eine Untersuchung der Dynamik des kambodschanischen Schattentheaters nach seiner Ernennung zum immateriellen Kulturerbe. In: Bendix, Regina; Bizer, Kilian; Groth, Stefan: Die Konstituierung von Cultural Property – Forschungsperspektiven. S.45-62. Göttingen: Universitätsverlag
    Eggert, Aditya
  • A Cambodian “Leitkultur”? Cambodian Concepts of Art and Culture. In: Hauser-Schäublin, B. (ed.): World Heritage Angkor and Beyond. Circumstances and Implications of UNESCO Listings in Cambodia, Göttingen Studies in Cultural Property, vol. 2:69-95-, Göttingen: Universitätsverlag
    Eggert, Aditya
  • A Legal View of the Case of the Temple Preah Vihear. In: Hauser-Schäublin, B. (ed.): World Heritage Angkor and Beyond. Circumstances and Implications of UNESCO Listings in Cambodia, Göttingen Studies in Cultural Property, vol. 2:57-65, Göttingen: Universitätsverlag
    Mißling, Sven
  • Angkor as World Heritage Site and the Development of Tourism. A Study of Tourist Revenue in the Accommodation Sector in Siem Reap-Angkor. In: Hauser-Schäublin, B. (ed.): World Heritage Angkor and Beyond. Circumstances and Implications of UNESCO Listings in Cambodia, Göttingen Studies in Cultural Property, vol. 2:147-175. Göttingen: Universitätsverlag
    Neth, Baromey
  • From an Object of Colonial Desires to a Contested World Heritage Site. In: Hauser-Schäublin, B. (ed.): World Heritage Angkor and Beyond. Circumstances and Implications of UNESCO Listings in Cambodia, Göttingen Studies in Cultural Property, vol. 2:33-56, Göttingen: Universitätsverlag
    Preah Vihear
  • From Property to Heritage. Different Notions, Rules of Ownership and Practices of New and Old Actors in the Angkor World Heritage Site. In: Hauser-Schäublin, B. (ed.): World Heritage Angkor and Beyond. Circumstances and Implications of UNESCO Listings in Cambodia, Göttingen Studies in Cultural Property, vol. 2:97-120. Göttingen: Universitätsverlag
    Keiko Miura
  • New Chances for Local Farmers and Artisans? Efforts and Strategies to Change the Existing Structures of Tourism Supply in Siem Reap. In: Hauser-Schäublin, B. (ed.): World Heritage Angkor and Beyond. Circumstances and Implications of UNESCO Listings in Cambodia, Göttingen Studies in Cultural Property, vol. 2, pp. 177-202, Göttingen: Universitätsverlag
    Brigitta Hauser-Schäublin
  • Sustainable Development in Angkor. Conservation Regime of the Old Villagescape and Development. In: Hauser-Schäublin, B. (ed.): World Heritage Angkor and Beyond. Circumstances and Implications of UNESCO Listings in Cambodia, Göttingen Studies in 2 Cultural Property, vol. 2:121-145. Göttingen: Universitätsverlag
    Keiko Miura
  • World Heritage Angkor and Beyond. Circumstances and Implications of UNESCO Listings in Cambodia. Göttingen Studies in Cultural Property, vol. 2, Göttingen: Universitätsverlag
    Hauser-Schäublin, Brigitta (ed.)
  • World Heritage Making in Angkor. Global, Regional, National and Local. Interplays and Implications. In: Hauser-Schäublin, B. (ed.): World Heritage Angkor and Beyond. Circumstances and Implications of UNESCO Listings in Cambodia, Göttingen Studies in Cultural Property, vol. 2:9-32, Göttingen: Universitätsverlag
    Miura, Keiko
  • The Enduring Agency of Borderland Regimes: The Aftermath of Serial Regulations with Different Scopes and Temporal Scales at Preah Vihear, Cambodia. The Journal of Legal Pluralism and Unofficial Law 46,1:79-98
    Hauser-Schäublin, Brigitta (with Sven Missling)
 
 

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