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Kommentierte zweisprachige Ausgabe von G. P. Bellori: "Le Vite de' pittori, scultori et architetti moderni", Rom 1672 (inklusive der unveröffentlichten Viten von Carlo Maratta, Guido Reni, Andrea Sacchi)

Fachliche Zuordnung Kunstgeschichte
Förderung Förderung von 2008 bis 2013
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 65307771
 
Erstellungsjahr 2011

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt hat sich die Übersetzung und Kommentierung der einflussreichsten Sammlung von 15 Lebensbeschreibungen der Künstler des Barock, unter ihnen Caravaggio, Rubens und Poussin, zum Ziel gesetzt. Die einzelnen Biographien sowie die Idea-Vorrede wurden erstmals von insgesamt 12 Autorinnen und Autoren übersetzt und auf literarische Strategien des Textes, künstlerische Topoi, und implizite Thematiken untersucht. Der Text wurde über ausführliche Kommentare nicht allein für wissenschaftliche Leser, sondern auch für interessierte Laien erschlossen und in Essays zu jedem Künstler in einen übergreifenden wissenschaftlichen Zusammenhang gestellt und die Lebensbeschreibungen im Kontext der Viten diskutiert. Beim "close reading" dieser bedeutenden Schrift aus dem 17. Jahrhundert konnten neue Quellen Belloris identifiziert werden. Besonders aufschlussreich war zudem die besondere Berücksichtigung seiner Begrifflichkeit, deren kritischer Einsatz häufig auf die Bestimmung stilistischer Kriterien, aber auch auf die "Charaktere" der Künstler zielt. Zudem konnte die Verwendung kunsttheoretischer Topoi aufgespürt werden, die in Umschreibungen oder aber durch Anekdoten zum Ausdruck gebracht werden. Überraschend war nicht allein die Entdeckung von Belloris analytischer Wortwahl, vor allem in seinen Bildbeschreibungen, die nicht allein inhaltlich argumentieren, sondern vielmehr häufig als Versuch anzusehen sind, dem hohen ästhetischen Anspruch der Bilder auch sprachlich gerecht zu werden. Herausgearbeitet werden konnte hier vor allem der Stellenwert von Farbe und Licht, mit Hilfe derer Bellori herausgehobene Gemälde und Statuen im Hinblick auf ihre Wirkung zu erklären versucht und sie nicht selten mit musikalischen Metaphern zu präzisieren sucht. Damit wird das traditionelle Bild vom strengen Klassizisten Bellori insofern in Frage gestellt wird, als nachweisbar ist, dass er nicht allein Zeichnung und Idee betont. Interessant ist zudem die Entdeckung, wie sehr die Malerei für Bellori die Rolle eines Leitmediums einnimmt, an der er sogar die Bildhauerei seiner Zeit misst. Die enge Auseinandersetzung mit dem gesamten Text hat darüber hinaus auch Brüche und allmähliche Veränderungen im Denken aufdecken können, die nicht zuletzt der langen Genese des Werks (von 1645-1672, bzw. bis 1696) geschuldet sind. Im Gegensatz zur bisherigen, stark an der "Idea"-Vorrede orientierten Bewertung der Viten in der deutschsprachigen Forschung haben Übersetzung und Kommentare die Intertextualität des Textes und das Interesse des Autors an Arbeit und Leben der Künstler aufdecken können. Besonders interessant ist schließlich Belloris historiographische Orientierung, die über die in der jüngeren Forschung bereits betonte Anknüpfung an das zyklische Modell Vasaris hinaus auch das Modell der Schulen berücksichtigt. Erstmals kann nun auch nachgewiesen werden, wie und wo Bellori diese verschiedenen Modelle in seine Erzählung einschrieb und für das aufkommende Modell der "Querelles des Antiques et des Modernes" fruchtbar machte, bei der er die Position der Alten einnahm. Herausgearbeitet werden konnten ferner auch die deutlichen Unterschiede zwischen der Konzeption gedruckten Ausgabe von 1672 und den drei erst danach bis zu seinem Tod 1696 verfassten Viten von Guido Reni, Andrea Sacchi und Carlo Maratta, in denen nun allein auf die Vorbildlichkeit der römischen Schule nach dem nunmehr alleinigen Vorbild Raffaels herausgestellt wurde. Im Hinblick auf die Person Belloris und seine Netzwerke war bisher seine enge Bindung an das Kloster Sant'Isidoro der irischen Franziskaner in Rom, in dessen Nähe er wohnte, noch nicht hinreichend bekannt. Wie aus seinem, im römischen Staatsarchiv aufbewahrten Testament deutlich wird, vermachte er diesem Kloster einen größeren Geldbetrag. Recherchen im Archiv des Klosters haben erst jüngst die Erkenntnis gebracht, dass Bellori einige Geschäfte für die Mönche tätigte. Dies legt eine neue Spur zum Verständnis seines, ansonsten sehr ungewöhnlich ungebundenen Gelehrtendasein in Rom.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Leitbilder, Lehrer, Konkurrenten. Lanfranco im Spiegel der Viten Sandrarts, Belloris und Passeris mit besonderem Blick auf Domenichino [Tagung: „Aus aller Herren Länder“. Die Künstler der Teutschen Academie von Joachim von Sandrart, Frankfurt, Dezember 2010]
    Elisabeth Oy-Marra
  • „Sensibili contorni, troppa pratica“. Das Leben des Giovanni Lanfranco von Bellori [Bibliotheca Hertziana, 15. 9. 2010]
    Elisabeth Oy-Marra
 
 

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