Soziale und kulturelle Grundrechte in der Türkischen Republik - Der Stand der Reformen zu den Rechten der Frau, dem Recht auf Bildung, der Religionsfreiheit und der Rechtsstellung der ethnischen Minderheiten im Vergleich mit den EU-Grundrechtsstandards.
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die untersuchten sozialen und kulturellen Grundrechte sind nach der türkischen Verfassungs- und Rechtslage überwiegend, aber nicht generell europarechtskonform gewährleistet. Ihre Umsetzung im Einzelfall ist vielfach problembehaftet. Dies ist zum geringeren Anteil der mangelnden Reformbereitschaft der politischen Führung anzulasten, sondern ist überwiegend zwei außerhalb ihres Einflusses liegenden Faktoren geschuldet: Einerseits der traditionsverhafteten Auslegung der türkischen Verfassung durch das Verfassungsgericht und die Obergerichte, andererseits den sozio-kulturellen Gegebenheiten der türkischen Gesellschaft, die in weiten Teilen namentlich einer vollen Gleichstellung der Frau, der Gleichstellung ethnischer Minderheiten und der Gewährung der Religionsfreiheit an nicht-muslimische Minderheiten reserviert bis ablehnend gegenübersteht. In Wechselwirkung hierzu steht die Bereitschaft einer Minderheit der kurdischen Bevölkerung zu gewaltsamem Widerstand gegen die Staatsgewalt. Dieser Widerstand wird wiederum von konservativen Kräften gegen die Reformbestrebungen der Regierung gewendet. Die Konfliktlage wird durch das jüngst ausgesprochene Verbot der DTP noch verschärft. Hoffnungsvoll für die demokratische und rechtsstaatliche Zukunft der Türkei stimmen die stabile Unterstützung der reformorientierten Regierung Erdogan in der Bevölkerung sowie der Erfolg der Untersuchungen im Fall Ergenokon. Diese haben aufgedeckt, in welchem Umfang die sich entwickelnde türkische Demokratie der Destabilisierung durch terroristische Aktivitäten aus Kreisen von Militärs und anderen nationalen „Eliten" ausgesetzt war und vermutlich noch isl. Auch wegen dieser Aktivitäten verharrt der Modernisierungsprozess der' Türkei derzeit auf halbem Wege. Trotz der erheblichen und anerkennungswürdigen Reformanstrengungen der politischen Führung seit dem Jahre 2000 sind die sozialen und kulturellen Grundrechte derzeit noch nicht in einer den Vorgaben der EMRK und der europäischen Grundrechtecharta (ChGR) entsprechenden Weise gewährleistet und nutzbar.