Geschichtsatlanten in Europa - Konstruktion und didaktischer Gebrauch raumbezogener Geschichtsdarstellung im transnationalen Vergleich
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt untersuchte Konstruktion und didaktischen Gebrauch aktueller raumbezogener Geschichtsdarstellungen in Europa für das historische Lernen im transnationalen Vergleich. Gegenstand war die systematische Analyse der in allen europäischen Staaten seit 1990 erschienenen, aktuell für das historische Lernen zur Verfügung stehenden Geschichtsatlanten. Das Projekt diente sowohl dem multilateralen Vergleich eines Bildungsmediums in Europa als auch der Schärfung des methodischen Verständnisses der in den Historischen Wissenschaften bisher kaum beachteten Geschichtskarte. Das Projekt ging von der These aus, dass Geschichtskarten nicht als reine Derivate von Texten, sondern als genuin eigene Aussageform zur Geschichte zu interpretieren sind. Die Klassifizierung der in Europa verfügbaren Geschichtsatlanten, der exemplarische thematische Vergleich sowie die medialmethodische Analyse der unterschiedlichen Darstellungsebenen einer Karte bildeten Zugänge zur systematischen Erschließung des Korpus. Ein erstes Ergebnis und Grundlage der weiteren Arbeit bildete die Erstellung einer Datenbank, die die bibliographisch bisher noch nicht erfassten Geschichtsatlanten aus 37 europäischen Ländern sowie gescannte und übersetzte Geschichtskarten zu Schwerpunkthemen anhand eines Schlagwortrasters systematisierte. Die Untersuchung der Gestaltungsformen, Zielgruppen und didaktischen Intentionen der Geschichtsatlanten in Europa ergab ein durchaus heterogenes Bild: Den ausschließlich an schulischen Bildungsinteressen ausgerichteten Atlanten vor allem in Osteuropa stehen zunehmend hybride Produktionen gegenüber. Weitgehende Übereinstimmungen weist demgegenüber die Strukturierung der Atlanten auf, die einem universalgeschichtlichen Narrativ folgt und so die Grundlinien der Menschheitsgeschichte in chronologischer Reihung zeigt. Mit einer Mischung aus qualitativ-empirischen und quantitativen Verfahren wurden mit dem „Kolonialismus“ und dem „Zeitalter der Weltkriege“ zwei gemeineuropäische Themen in Querschnittuntersuchungen analysiert. Starke Konvergenzen der Darstellung bestätigten Annahmen zur Standardisierung und Konventionalisierung von Wissensbeständen in Geschichtskarten. Die Analyse konstruktiver Elemente im Kontext historisch-thematischer Sinnbildung zeigte, dass gerade jene Elemente der „Orchestrierung“ des Simultanmediums Geschichtskarte, die von Nutzern gemeinhin nicht als bedeutungsrelevant wahrgenommen werden, oftmals gerade Träger von Bedeutungsunterschieden als Ausdruck historischer Kontroversität sind. Dies gilt sowohl für die chorographische Formung (Zentrierung, Ausschnitt, Projektion), die Gestaltung der Zeichen (Signaturen, Farben etc.) als auch die multimodalen Ergänzungen (Texte, Bilder etc.). Erstmals wurde dies auch für Projektionsformen in Geschichtskarten nachgewiesen. Die Ergebnisse des Projekts gehen unmittelbar in den didaktischen Transfer ein: In die Entwicklung von Geschichtsatlanten und Schulbuchkarten sowie in die methodische Weiterung des interpretativen Repertoires im Umgang mit Geschichtskarten in historischen Lernprozessen. Durch den methodisch kontrollierten Kartenvergleich lässt sich vermitteln, dass die als Medium Objektivität suggerierende Geschichtskarte tatsächlich eine Interpretation der Vergangenheit darstellt.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Das Wo zum Was und Wann. Der „Spatial turn“ und seine Bedeutung für die Geschichtsdidaktik, in: Geschichte in Wissenschaft im Unterricht, Jg. 41, (4/2010), S. 220 – 233
Oswalt, Vadim
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Klett-Perthes Atlas zur Weltgeschichte. Bearb. von Vadim Oswalt, Hans Ulrich Rudolf und Dietmar Schillig, Klett-Perthes Gotha/Stuttgart 2011
Oswalt, Vadim/Rudolf, Hans Ulrich (Hg.)
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Die Kartierung des Nicht-Kartierbaren. Die Visualisierung des Holocaust in aktuellen europäischen Geschichtskarten, in: Vadim Oswalt/ Peter Haslinger (Hg.), Kampf der Karten. Propaganda- und Geschichtskarten als politische Instrumente und Identitätstexte in Europa seit 1918, Marburg 2012, S. 288-311
Bode, Sebastian / Renz, Mathias
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Kampf der Karten. Propaganda- und Geschichtskarten als politische Instrumente und Identitätstexte in Europa seit 1918, Marburg 2012
Oswalt, Vadim / Haslinger, Peter, (Hg.)