Project Details
Projekt Print View

Migrationsprozesse nach 1945. Die Städte Stuttgart und Lyon im Vergleich

Subject Area Modern and Contemporary History
Term from 2008 to 2012
Project identifier Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Project number 72947016
 
Final Report Year 2013

Final Report Abstract

Stuttgart und Lyon gehören in Deutschland und Frankreich zu den Städten, die nicht nur einen hohen Migrantenanteil besitzen, sondern deren öffentliche Wahrnehmung stark hiervon geprägt ist. Nicht anders als in anderen deutschen und französischen Städten ist die hohe Zuwandererquote bei beiden das Ergebnis zeithistorischer Wanderungen, die von der Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte in den 1950er Jahren, in Lyon darüber hinaus von Migrationen aus den ehemaligen Kolonien in Nordafrika, eingeleitet wurden und in den Folgejahrzehnten rasant zunahmen. Sowohl im Raum wie auch in der Gesellschaft beider Städte führten die Migrationen, das hat der Städtevergleich ergeben, zu ganz unterschiedlichen Entwicklungen. Diese waren zum einen staatlichen und überstaatlichen Entwicklungen geschuldet, hingen aber zum anderen auch mit jeweils anderen Ausgangsbedingungen bzw. unterschiedlichen Bewusstseinslagen und Handlungsstrategien in der städtischen Bevölkerung zusammen. So hat die Arbeit im Archiv gezeigt, dass man sich am Neckar schon sehr früh darüber Gedanken machte, ausländische Arbeitnehmer, die im Rahmen der Anwerbeabkommen zugewandert waren, bei der Ausländerarbeit beratend hinzuzuziehen. Aus diesen Überlegungen ging Anfang der 1970er Jahre zunächst die Etablierung eines Ausländerbeirats hervor, in welchen Repräsentanten der fünf in der Stadt am meisten vertretenen Nationalitäten berufen wurden. Knapp zehn Jahre später wurde dieser Ausländerbeirat durch einen gewählten Ausländerausschuss ersetzt. In Lyon stand dagegen die Wohnungsfrage im Vordergrund, genauer: die Unterbringung der nordafrikanischen männlichen Arbeitnehmer, denn erst allmählich rückten auch Familien in den Blick. Ein dem Stuttgarter Gremium vergleichbares Vertretungsorgan der in der Stadt lebenden ausländischen Migranten trat in Lyon erst 2005 in Kraft. Eines war beiden Städten jedoch gemein: Überall ging es um Zuwanderung als Pathologie oder Problem, unabhängig davon, ob es sich um soziale Konflikte in der Stadt oder um die Unterbringung von Migranten handelte. Besonders eindrucksvoll zeigt sich diese Matrix bei der Wahrnehmung von Zuwanderung in einer stadtsoziologischen Studie aus den frühen 1980er Jahren, die im Lyoneser Stadtarchiv gefunden wurde. Inhaltlich ging es in dieser Studie darum, die in Lyon lebenden Zuwanderer zahlenmäßig zu erfassen, ihre Wohn- und Lebensverhältnisse zu untersuchen sowie ihre geographische Verteilung in der Stadt zu ermitteln und auf dieser Grundlage Empfehlungen für die Zukunft auszusprechen. Um ein differenziertes Bild zu erhalten, sollten nicht nur die ausländischen Migranten in die Untersuchung einbezogen, sondern ebenfalls die Zuwanderer aus den Gebieten Frankreichs in Übersee berücksichtigt werden. Das Ergebnis, welches das von der Stadt engagierte Soziologenteam letztlich vorlegte, widerprach den Vorgaben der Stadt, denn es lief auf eine perspektivische Engführung hinaus. „L'etude avait ete demandee dans une optique immigres/autochtones", notierte einer der Protokollanten. „Or elle est devenue «Les Etrangers à Lyon» et glisse meme vers une étude du seul problème des populations maghrébines."

Publications

  • (2010): Entre idéal et réalité. L'histoire comparée face aux sources. In: Histoires croisées. Reflexions sur la comparaison Internationale en histoire, Eds. Baby, S.. Zancarini-Fournel, M. (Paris: IRICE), 75-86
    Severin-Barboutie, B.
  • (2011): Comment expliquer l'absence de violences urbaines en Allemagne? Mise en perspective historique. In: Engagements, rebellions et genre dans les quartiers populaires en Europe (1968-2005), Eds. Béroud, S., Gobille, B., Hajjat, A., Zancarini-Fournel, M. (Paris: Editions des archives contemporaines), 157-171
    Severin-Barboutie, B.
  • (2011); Die Fremdwahrnehmung von Italienern und Türken in der Bundesrepublik. In: Dolce Vita? Das Bild der italienischen Migranten in Deutschland, Eds. Janz, O., Sala, R. (Frankfurt a.M.: Campus Verlag), 116-135
    Severin-Barboutie, B.
  • (2012): From the City Perimeters to the Centre of the Political Arena: Deprived Neighbourhoods and Urban Policies in Postwar France. In: Urban Research and Practice 5/1, 64-77
    Severin-Barboutie, B.
  • (2012): Jeunes et violence dans l'Allemagne réunifiée: regard différencie sur les données de la police. In: AGORA, Débats/Jeunesse 62,19-32
    Severin-Barboutie, B.
  • (2012): Stadt - Migration - Transformation. Stuttgart und Lyon im Vergleich. In: Das „Gastarbeiter"-System. Arbeltsmigrationen und ihre Folgen in der Bundesrepublik Deutschland und Westeuropa, Eds. Oltmer, J., Kreienbrink, A., Diaz, S. (München: Oldenbourg Vertag), 233-245
    Severin-Barboutie, B.
 
 

Additional Information

Textvergrößerung und Kontrastanpassung