Entwicklung einer experimentell-numerischen Methode zur Bestimmung der Werkzeugbelastung beim Querwalzen von Laufverzahnungen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Verzahnungswalzen stellt gegenüber dem konventionellen Spanprozess eine innovative und ökonomische Herstellungsvariante dar, mit der deutlich verbesserte Bauteileigenschaften (Tragfähigkeiten, Zahnfußfestigkeiten) erzielt werden können. Die Umformtechnologie bildet eine der Kernkompetenzen des Fraunhofer IWU. Während die Verfahrensdurchdringung und -Optimierung in immer größerem Maße erfolgt, sind noch grundlegende Fragen zu Werkzeugen, Maschine, etc. offen. Forschungsbedarf ergab sich damit bei der messtechnischen Ermittlung auftretender Werkzeugbelastungen. Abwalzbedingt auftretende und veränderliche Belastungen der Werkzeugzähne während des Walzprozesses sind Ausgangspunkt für schadhafte Effekte am Walzwerkzeug (elastisch/plastische Deformation, Werkzeugbruch). Für die Erfassung dieser Belastungen mittels DMS-Messtechnik sowie Belastungssimulation besitzt die TU Chemnitz herausragendes Fachwissen. In Umsetzung der Zielstellung des vorliegenden Forschungsprojektes konnte die Erfassung dieser Werkzeugbelastungen im Eingriffsgebiet Werkzeug-Werkstück realisiert und verifiziert werden. Aus wissenschaftlicher Sicht stellt dies die Basis für alle weiteren Schritte zu Optimierung, Weiterentwicklung und prozesstechnischen Sicherstellung eines qualitativen Verzahnungswalzprozesses dar. Zusätzlich konnte durch die Forschungsleistungen erheblicher Wissensgewinn für die Erfassung von Belastungen an unzugänglichen Bauteilzonen mit Anwendbarkeit auf weitere Branchen generiert werden. Wesentliche Projektergebnisse sind die Entwicklung und Umsetzung einer experimentell-numerischen Methode zur Erfassung von mechanischen Werkzeugbeanspruchungen während des realen Walzprozesses von Hochverzahnungen im Eingriffsgebiet Werkzeug-Werkstück. Hierzu wurden die Berechnungsergebnisse einer dreidimensionalen Simulation mit praktischen Messwerten aus dem Umformprozess in einem hybriden Verfahren gekoppelt. Die Unzugänglichkeit der direkt belasteten Werkzeugzonen im realen Walzprozess stellte dabei eine große wissenschaftliche Herausforderung dar. Es wurde ein neues Messwerkzeug mit definierter Querschnittschwächung entwickelt. In dieses Werkzeug installierte elektrische DMS mit geringem Abstand zur Belastungszone lieferten Dehnungen in sehr hoher Auflösung. Die Übertragung der Messdaten vom Werkzeug zur Messwertverarbeitung (Messverstärker) erfolgte kabellos durch ein Mehrkanal-Telemetriesystem. Die auf diese Welse während des Walzprozesses gemessenen Dehnungen bildeten die Basis für die anschließende inverse Rückrechnung auf die vorliegenden Belastungen im Eingriffsgebiet mit einem Gradientenbasierendem Optimierungsverfahren. Um die entwickelte experimentell-numerische Methode in ihrer Wirkungsweise zu verifizieren, wurden der Belastungsidentifikation numerische Tests mit fehlerbehafteten synthetischen Messwerten vorangestellt. Weiterhin wurde ein Demonstrator entwickelt, mit welchem die Identifikation bei bekannter Belastung anhand real gemessener Dehnungswerte durchgeführt werden konnte. Aufgrund der baugleichen Querschnittschwächung bei Walzwerkzeug und Demonstrator konnte dieser weiterhin auch als Testumgebung für die Installation der DMS dienen. In einer zweiten Umformsimulation (elastisch deformierbare Werkzeuge) wurde die Verfahrensabbildung realisiert und liefert nun die Möglichkeit, zum Zeitpunkt der Walzwerkzeug-Auslegung deren Funktionsfähigkeit sowie den gesamten Umformprozess vor dem eigentlichen Werkzeugbau zu überprüfen. Weiterhin können mittels dieser Simulation quantitative Hauptbelastungszonen am Walzwerkzeug ermittelt und gegebenenfalls Optimierungsmaßnahmen angewendet werden. Damit ist es gelungen, ein 3D Simulationstool mit praktischer Verifikation zu erarbeiten, mit dem es für beliebige Verzahnungsgeometrien möglich ist, die Größe auftretender Werkzeugbelastungen, als auch die Realisierung des korrekten Umformprozesses und des Zahnradprofils noch in der Werkzeugkonstruktionsphase zu überprüfen und zu optimieren. Dies stellt einen wesentlichen Schritt zur Durchdringung und Weiterentwicklung des Forschungsstandes zur Verzahnungswalztechnologie dar. Zeit- und kostenintensive Optimierungsschleifen durch nicht optimale Werkzeug- oder Prozessauslegung können so in erheblichem Maße reduziert werden. Insbesondere die Schaffung einer inversen Vorgehensweise zur Berechnung der Zahnflankenbelastung und die dazu erforderliche Messwertaufnahme wurden in hoher Qualität umgesetzt. Dabei zeigte sich, dass das konzipierte Messwerkzeug mit 20 integrierten Dehnungsmessstreifen in Verbindung mit der verwendeten Messwertübertragung und -Verarbeitung in der Lage ist, während des gesamten Walzvorgangs stabile und hochgenaue Messwerte zu liefern. Die erzielten Auflösungen liegen hier deutlich über den erwarteten Werten. Dies zeigt sich u.a. dadurch, dass der Einfluss der Zahnbelastung auch dann noch registriert werden kann, wenn sich die Messstellen beim Überrollen deutlich vom Eingriffsgebiet entfernt haben. Damit stehen für die Auswertung wesentlich mehr und auch genauere Messwerte zur Verfügung, als ursprünglich angenommen wurde. Diese Resultate stellen grundlegende Erkenntnisse für die forschungsseitige Weiterentwicklung und Optimierung des Verzahnungswalzprozesses dar. Auch für die DMS-Messtechnik stellen die gewonnenen Erkenntnisse einen erheblichen Wissensgewinn dar. Somit wurde im Rahmen des Projektes eine Methode entwickelt, um Belastungsfälle an Bauteilen zu analysieren, deren direkt belastete Bauteilzonen messtechnisch nicht zugänglich sind. Sie eröffnet Anwendungsmöglichkeiten auch auf andere Bauteile mit entsprechender Problematik. Basierend auf den neu gewonnenen Erkenntnissen, kann eine signifikante Beanspruchungsminimierung der Walzwerkzeuge durch Optimierung von Walzprozess, Werkstofffluss und/oder Werkzeuggeometrien (Kopf-/Fußradien/Flankengeometrien) realisiert werden. Innerhalb der ermittelten Grenzbereiche für die Prozessparameter beim Verzahnungswalzen soll in weiterer Forschungsarbeit eine optimale und beanspruchungsminimierte Kombination der Maschinenparameter erarbeitet werden. Eine Optimierung der bestehenden Simulationsmodelle durch Verkürzung von Rechenzeiten, verbesserter Netzfeinheit und damit größerer Ergebnisbreite ist geplant.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Innovations in Rolling Process of Helical Gears Advances in Materials and Processing Technologies. AIP Conference Proceedings 1315, ISBN 978-0-7354-0871-5
Neugebauer, R.; Hellfritzsch, U.; Lahl, M.; Schiller, S.; Milbrandt, M.
- Expenmentell numerische Bestimmung der Werkzeugbelastungen beim Walzen von Laufverzahnungen, Tagung VDI GMA Fachausschuss 2.11, Leipzig, 23.09.2010
Stockmann, M.; Kretzschmar, J.
- Experimental - Numerical method to determine the tool surface loads during the rolling process of gear wheels, 27th Danubia-Adria Symposium on Advances in Experimental Mechanics (Proceedings), Wroclaw, Poland, 2010-09-22/25, ISBN 978-83-87982-59-1
Kretzschmar, J.; Stockmann, M.; Schiller, S.; Hellfritzsch, U.
- Gear Rolling Technology. KUGGMÖTE Gear Meeting 2010 - Gear Technology Center, Köping, Sweden, 2010-10-13/14
Neugebauer, R.; Hellfritzsch, U.; Lahl, M.; Schiller, S.; Milbrandt, M.
- Innovations in Rolling Process of Helical Gears Advances in Materials and Processing Technologies. AMPT 2010 - International Conference, Paris, France, 2010-10-24/27
Neugebauer, R.; Hellfritzsch, U.; Lahl, M.; Schiller, S.; Milbrandt, M.
- Simulation von Profilwalzprozessen, Jahresbericht 2009/2010, Chemnitz, Fraunhofer Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik (IWU), 2010, S. 33
Schiller, S.