Untersuchungen zur Wahrnehmung von Oberflächen- und Beleuchtungsfarben: Die Rolle chromatischer Szenenstatistiken
Zusammenfassung der Projektergebnisse
In diesem Projekt wurde die funktionale Rolle chromatischer Szenenstatistiken für die Wahrnehmung von Oberflächen- und Beleuchtungsfarben untersucht. Das allgemeinere theoretische Problem, das diesem Projekt zugrundliegt, ist die zentrale Leistung des visuellen Systems bei der Wahrnehmung von Farben: die Fähigkeit, Oberflächenfarben trotz der Abhängigkeit des retinalen Inputs von den spektralen Eigenschaften der Beleuchtung auch unter Veränderungen der Beleuchtung als nahezu konstant wahrzunehmen (sog. Farbkonstanz). Diesem Projekt vorausgehende Arbeiten unserer Arbeitsgruppe deckten mehrere statistische Maße der chromatischen Verteilung des retinalen Bildes (sog. chromatische Szenenstatistiken) auf, die nützliche Hinweisreize für die chromatischen Eigenschaften der in der Szene vorhandenen Beleuchtung darstellen und daher zur Zerlegung des retinalen Inputs in die zwei Komponenten Oberflächenfarbe und Beleuchtungsfarbe verwendet werden können. In diesen Arbeiten konnten wir auch zeigen, dass mehrere dieser chromatischen Szenenstatistiken vom visuellen System bei der Wahrnehmung von Oberflächenfarben berücksichtigt werden und zwar in einer Weise, die mit der Hypothese kompatibel ist, dass diese chromatischen Eigenschaften der Szenen ausgewertet werden, um die Beleuchtung einer Szene zu schätzen und so konstante Oberflächenfarben zu erreichen. In diesen vorausgehenden Arbeiten wurde stets die räumliche Analyse des chromatischen Inputs durch das visuelle System mittels der Erhebung von Urteilen über Oberflächenfarben untersucht. Mit dem Ziel eines erweiterten und gesicherteren Verständnisses über die funktionalen Rolle der chromatischen Szenestatistiken für die Wahrnehmung von Oberflächen- und Beleuchtungsfarben wurden im Rahmen dieses Projektes (am Beispiel der beiden Statistiken des chromatischen Mittelwertes und der Luminanz-Chromatizitäts-Korrelation) experimentelle Untersuchungen in den beiden folgenden Bereichen durchgeführt: 1) Untersuchung der zeitlichen Analyse des chromatischen Inputs durch das visuelle System: In diesem Projektteil wurde die Hypothese untersucht, dass das Wahrnehmungssystem eine zeitliche Analyse des chromatischen Inputs durchführt, die ebenso wie die räumliche Analyse eine Beleuchtungsschätzung zum Zwecke hat und daher die chromatischen Szenestatistiken in analoger Weise berücksichtigt. Ein zentrales Ergebnis dieses Projektteils ist, dass die Befunde sowohl für den chromatischen Mittelwert als auch für die Luminanz-Chromatizitäts-Korrelation diese Hypothese stützen. Die chromatischen Eigenschaften der zeitlichen Analyse von Reizsequenzen zeigen eine hohe Entsprechung zu den entsprechenden Befunden zur räumlichen Analyse von Umfeldreizen. Für eine abschließende Klärung der funktionalen Rolle dieser chromatischen Szenenstatistiken bei der zeitlichen Analyse halten wir es für wichtig und vielversprechend, zusätzlich zu den im Rahmen dieses Projektes untersuchten chromatischen Eigenschaften der zeitlichen Analyse auch deren temporale Eigenschaften zu untersuchen. 2) Erhebung von Beleuchtungsurteilen: In diesem Projektteil haben wir die dem Projekt zugrunde liegenden Frage, ob das menschliche visuelle System chromatische Szenenstatistiken zum Zwecke einer Schätzung der chromatischen Eigenschaften der Beleuchtung berücksichtigt, statt durch die Erhebung von Urteilen über Oberflächenfarben durch die Erhebung von Urteilen über die andere Komponente, den Wahrnehmungseindruck der Beleuchtung, untersucht. Das hierfür gewählte Verfahren (Nascimento & Foster, 1997) erwies sich jedoch als problematisch. Nicht nur gestaltete sich die Suche nach ökologischen Reizbedingungen, unter denen der ursprüngliche Befund dieser Studie (der Effekt einer reinen chromatischen Mittelwertsveränderung auf die Urteile) reproduzierbar war, als langwierig und nur begrenzt erfolgreich, sondern es zeigten sich auch von Nascimento und Foster nicht behandelte Schwierigkeiten der Versuchspersonen mit dem Urteilskriterium. Ob der negative Befund bei unserer Erweiterung des Verfahren auf die Untersuchung des Effektes einer Veränderung der Luminanz-Chromatizitäts-Korrelation auf die Beleuchtungsurteile gegen eine funktionale Rolle dieser Szenenstatistik für die Schätzung der Beleuchtung spricht, sollte daher noch weiter untersucht werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2011). Chromatische Regularitäten bei der Beurteilung von Beleuchtungswechseln mit natürlichen Stimuli. 53. Tagung experimentell arbeitender Psychologen (TeaP). Halle
Hirschmüller, A. & Golz, J.