Entwicklung eines geeigneten Simulationsmodells zur Berechnung des Strömungsfeldes und der Temperaturverteilung im klimatisierten Gehäuse einer Kirchenorgel
Baustoffwissenschaften, Bauchemie, Bauphysik
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Bedingt durch das schnelle Aufheizen von Kirchen im Winter oder durch starke Sonneneinstrahlung im Sommer entsteht eine sehr ungleichmäßige Temperaturverteilung im Gehäuse von vielen Kirchenorgeln. Eine Orgel besteht in der Regel aus mehreren Werken (Einheiten ausjeweils 300-500 Orgelpfeifen), die sich in verschiedenen Höhen befinden. Die Pfeifen eines höher gelegenen Werkes stehen auf Grund thermischer Konvektion in einer wärmeren Umgebung als die Pfeifen eines tiefer gelegenen Werkes und klingen deshalb mit einer höheren Frequenz. Je nach Tiefe des Orgelgehäuses können solche Frequenzunterschiede auch zwischen vorderen und hinteren Pfeifen auftreten. Werden nun Pfeifen aus unterschiedlichen Temperaturbereichen gleichzeitig gespielt, entstehen auf Grund der Verstimmung Schwebungen im Gesamtklang, was bei Veranstaltungen wie z.B. Gottesdiensten oder Konzerten sehr störend ist. Um dieses Problem im Falle der Orgel in der St. Martinskirche in Oberesslingen zu lösen, waren bereits im Jahre 2007 Untersuchungen mit einem lokalen Ventilationssystem im Orgelgehäuse durchgeführt worden, jedoch ohne zufrieden stellendes Ergebnis. Das Ziel dieses Projektes war die Entwicklung eines Ventilationssystems im Orgelgehäuse der St. Martinskirche durch Computersimulation. Mit Hilfe dieses Systems sollte eine möglichst gleichmäßige Temperaturverteilung erreicht werden. Da das Heizungssystem der Kirche und die resultierenden Konvektionsströmungen die Hauptursachen für die störenden Temperaturgradienten in der Orgel sind, war es notwendig, ein Computermodell für das gesamte System Kirche-Orgelgehäuse zu entwickeln. Problematisch hierbei war die Darstellung der Orgelwerke mit ihrer Vielzahl von Pfeifen. Als erfolgreich enwies sich letztendlich eine Modellierung dieser Pfeifenzonen durch Fluidvolumina mit porösen Eigenschaften, die wiederum in einer separaten numerischen Studie bestimmt wurden. Die Ermittlung der Randbedingungen für das gesamte Computermodell erfolgte im Laufe des Validierungsprozesses durch Vergleich mit Messdaten. Es wurden mehrere Ventilationssysteme mit unterschiedlichen Luftverteilern und Volumenströmen getestet. Die besten Ergebnisse lieferte eine Variante bestehend aus zwei unabhängigen Teilsystemen mit jeweils mehreren Weitwurfdüsen als Luftverteiler. Eine Düsenreihe über der Frontseite des Orgelgehäuses bildete einen senkrecht nach unten gerichteten Luftschleier, zwei weitere Düsenreihen befanden sich in verschiedenen Höhen in den Pfeifenregionen. Zusätzlich wurde ein feinmaschiges Netz als Strömungswiderstand auf allen zum Kirchenraum offenen Grenzflächen angebracht, um die Einströmung von warmer Luft in das Orgelgehäuse zu verringern. Mit dieser Kombination aus Windschutz und Ventilationssystem gelang es schließlich, eine sehr ausgeglichene Temperaturverteilung zu erreichen. Ein wichtiger nächster Schritt wäre nun der Bau eines solchen Ventilationssystems und Testmessungen vor Ort. Die am Beispiel einer bestimmten Orgel entwickelten Modellierungsverfahren lassen sich im Pnnzip für alle Orgeln anwenden. Aus den Projektergebnissen konnten Richtlinien für die Gestaltung von Orgelgehäusen abgeleitet werden, die dabei helfen, die Verstimmungen im Orgelklang zu verringern. Eine Weitergabe dieses Wissens kann z.B. durch Beratungsaufträge oder Weiterbildungskurse für Orgelbaufachleute erfolgen.