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Dynamische Analyse der Luxation von Hüftendoprothesen durch Hardware-in-the-Loop-Simulation (HiLux)

Fachliche Zuordnung Orthopädie, Unfallchirurgie, rekonstruktive Chirurgie
Förderung Förderung von 2009 bis 2014
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 84621831
 
Erstellungsjahr 2014

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Hüftendoprothesen gewähren dem Patienten im betroffenen Gelenk einen beschränkten Bewegungsumfang, bedingt durch Implantatdesign sowie Auswahl und Positionierung der Komponenten. Wird der gewährte Bewegungsumfang vom Patienten überschritten, kommt es zum Anschlagen (Impingement) der Implantatkomponenten bis hin zum Ausrenken des Kunstgelenks (Luxation). Für betroffene Patienten bedeutet die Hüftendoprothesen-Luxation in der Regel einen plötzlichen Verlust der Gehfähigkeit und Mobilität verbunden mit starken Schmerzen und der Gefahr von Weichteilschädigung wie z.B. Muskelabriss im Bereich des Hüftgelenks. Häufig wird zur Therapie eine Reoperation notwendig. Wiederholtes Impingement — auch ohne Luxation — der Implantatkomponenten führt dauerhaft zu Schäden und einem vorzeitigen Versagen des Gesamtsystems, z.B. durch den Bruch von Keramikkomponenten. In eigenen Vorarbeiten wurden bereits grundlegende Erkenntnisse zum Impingement- und Luxationsverhalten gewonnen, jedoch unter der Einschränkung, keine Muskelkräfte zu berücksichtigen und der Annahme einer statischen Gelenkkraft. Im diesem Vorhaben wurden eine Hardware-in-the-Loop (HiL)-Simulation implementiert, die dagegen die Kräfte von bis zu 70 Muskeln der unteren Extremität in einem komplexen muskuloskelettalen Mehrkörpermodell berücksichtigt und parallel eine robotergestützte Artikulation realer Gelenkimplantat-Komponenten in Realzeit ermöglicht. Dabei werden die mit großer Unsicherheit behafteten Kontaktbedingungen in einer numerischen Simulationsumgebung innerhalb des entwickelten Hardware-in-the-Loop Aufbaus eliminiert, indem auf Implantat-Komponenten mit realer Reibung zurückgegriffen wird. Parameterstudien zu Implantat-Design und -Position werden durch Anpassung der muskuloskelettalen Modelle und Einbringung unterschiedlicher Implantatkomponeten bzw. Koordinatentransformationen am Roboter realisiert. Muskelschädigungen durch den operativen Zugang lassen sich simulieren, indem betroffene Muskelelemente im muskuloskelettalen Modell deaktiviert werden. Für die Validierung der HiL-Simulation wurden telemetrisch gemessene Daten von Patienten mit instrumentierten Hüftendoprothesen herangezogen. Da aus ethischen Gründen von diesen Patienten keine luxationsrelevanten Bewegungen zu Forschungszwecken verlangt werden können, wurden Bewegungsprofile mit einem gesunden Probanden aufgezeichnet und im muskuloskelettalen Modell für die HiL-Simulation implementiert. Auf diese Weise konnte mit einem validierten Testverfahren erstmalig das Impingement- und Luxationsverhalten verschiedener Implantatdesigns und -positionen unter Berücksichtigung des vollständigen Muskelapparats der unteren Extremität untersucht werden. Bezüglich der untersuchten Bewegungen zeigte ein tiefes Sitzen in Kombination mit Adduktion das höchste Risiko eines Impingements mit anschließender posterioren Luxation. Die Körpermasse ergab keinen wesentlichen Einfluss auf den Luxationszeitpunkt während der Bewegung. Unter Schmierung ergaben sich wie erwartet geringere Reibmomente als bei trockener Gleitpaarung. Bezüglich der Implantatposition konnten sichere und riskante Pfannen- und Stiel-Positionen identifiziert werden. Mit größeren Kopfdurchmessern konnte entsprechend früheren Untersuchungen der Bewegungsumfang und die Luxationsstabilität erhöht werden. Dabei wurden bei größeren Köpfen auch höhere Widerstandsmomente gemessen. Für den posterioren Operationszugang und bei fehlenden ansetzenden Muskeln am proximalen Femur im Rahmen von Revisions- und Tumoroperationen konnte infolge der eingeschränkten bzw. geschädigten Muskulatur ein erhöhtes Luxationsrisiko beim tiefen Sitzen nachgewiesen werden. Mit der aufgebauten Hardware-in-the-Loop Simulation können künftig neue Implantatdesigns und Implantatkombinationen, weitere klinisch relevante Bewegungsmanöver und pathologische Weichteilsituationen bezüglich des Impingement- und Luxationsrisikos untersucht werden. Die Ergebnisse können in eine verbesserte Produktentwicklung sowie Anwendungstechnik im OP einfließen und somit die Implantatsicherheit erhöhen und das Risiko für den Patienten senken. Das HiL-Simulationskonzept wurde bereits auch auf Knieendoprothesen erweitert. Diese Untersuchungen werden derzeit in einem Projekt fortgeführt. Das Vorhaben wurde öffentlichkeitswirksam über einen Fernsehbeitrag und Präsentationen im Akademisches Jahrbuch der Universität Rostock sowie im Landestechnologieanzeiger Mecklenburg-Vorpommern dem breiteren Publikum zugänglich gemacht.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2010). Development of a Three-Dimensional Musculoskeletal Model for the Hardware-in-the-Loop Joint Simulation. In: Lim CT, Goh JCH (Hrsg.) IFMBE Proceedings 31, 6th World Congress of Biomechanics. Springer, Berlin, pp. 557-560
    Herrmann S, Rachholz R, Souffrant R, Kaehler M, Zierath J, Kluess D, Woernle C, Bader R
  • (2011). Hardware-in-the-loop simulation of total hip and knee replacements using musculoskelest tal modeling and an industrial robot. In: Kluess D, Mittelmeier W, Bader R (Hrsg.) 1 International Symposium on Numerical Simulations in Orthopaedic Biomechanics. Shaker Verlag Aachen, pp. 83-91
    Herrmann S, Kaehler M, Rachholz R, Souffrant R, Zierath J, Kluess D, Woernle C, Bader R
  • (2011). Verification of a joint simulator for total hip dislocation using an industrial robot. In: Shimizu K, Huylebroek JF (Hrsg.) Updates from 7th Combined Meeting of the Orthopaedic Research Societes and 6th Meeting of the EFOST. Medimond Publisher Bologna, pp. 101-104
    Herrmann S, Rachholz R, Souffrant R, Kaehler M, Zierath J, Wieding J, Kluess D, Woernle C, Bader R
  • (2012). Model-based dynamic analysis of total hip endoprostheses by means of Hardware-inthe-Loop simulation. In: Eberhard P (Hrsg.) Proceedings of the 2nd Joint International Conference on Multibody System Dynamics, Stuttgart
    Kähler M, Rachholz R, Hermann S, Zierath J, Souffrant R, Kluess D, Bader R, Woernle C
  • HiL Simulation in Biomechanics: A New Approach for Testing Total Joint Replacements. Computer Methods and Programs in Biomedicine 2012, 105: 109-119
    Herrmann S, Kähler M, Souffrant R, Rachholz R, Zierath J, Kluess D, Mittelmeier W, Woernle C, Bader R
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.cmpb.2011.07.012)
  • (2013). Dynamic testing of artificial hip joint stability under physiological-like conditions. In: Zdravko Terze Z, Vrdoljak M (Hrsg.) Proceedings of the ECCOMAS Thematic Conference Multibody Dynamics, Zagreb
    Herrmann S, Kähler M, Souffrant R, Zierath J, Kluess D, Woernle C, Bader R
  • (2013). Robot-based testing of total joint replacements. In: Gerstmayr J, Gattringer H (Hrsg.) Multibody System Dynamics, Robotics and Control. Springer Verlag Berlin, pp. 143-158
    Woernle C, Kähler M, Rachholz R, Zierath J, Herrmann S, Souffrant R, Kluess D, Bader R
  • Dynamic behavior of tripolar hip endoprostheses under physiological conditions and their effect on stability. Med Eng Phys 2013, Oct 24
    Fabry C, Kaehler M, Herrmann S, Woernle C, Bader R
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.medengphy.2013.09.007)
  • Generation of physiological parameter sets for hip joint motions and loads during daily life activities for application in wear simulators of the artificial hip joint. Med Eng Phys 2013, 35:131-139
    Fabry F, Herrmann S, Kaehler M, Klinkenberg ED, Woernle C, Bader R.
 
 

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