Untersuchung von Krankheitsmechanismen an Motoneuronen eines Mausmodells für spinale Muskelatrophie mit Ateminsuffizienz (SMARD)
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Motoneuronerkrankungen basieren auf unterschiedlichen Krankheitsmechanismen. Das Spektrum ist breit und reicht von Pathomechanismen, die vor allem den Zellkörper betreffen, zu solchen Störungen, die im präsynaptischen Bereich der Motorendplatte beginnen. Motoneuronerkrankungen, bei denen primär die Motorendplatte und in der Folge Axone und Zellkörper degenerieren, werden als "Dying Back Disease" bezeichnet. Hier wäre die klassische Form der proximalen, spinalen Muskelatrophie (SMA) als Beispiel zu nennen. Eine weitere Form der spinalen Muskelatrophie ist die SMA mit Ateminsuffizienz (DSMA1). Im Fall von DSMA1 ist noch völlig unbekannt, welcher Krankheitsmechanismus zur Degeneration der Motoneurone führt. In Vorversuchen an isolierten embryonalen spinalen Motoneuronen des DSMA1 Mausmodells (neuromuscular degeneration - Nmd - Maus) fanden wir, dass bereits sehr früh die spontane Erregbarkeit vermindert ist. Im Mausmodell dagegen ist die Motoneuronerkrankung erst klinisch sichtbar zu einem Zeitpunkt an dem es bereits zu einer signifikanten Reduktion spinaler Motoneurone gekommen ist. Der Krankheitsprozess beginnt offensichtlich bereits präsymptomatisch. Im Rahmen dieses Projekts konnten wir zeigen, dass Ighmbp2 defiziente Motoneurone auf unterschiedlichen Matrixproteinen Differenzierungsdefekte aufgrund von Erregbarkeitsstörungen zeigen. Dass die Erregbarkeitsstörungen die Folge eines Mikrofilamentdefektes ist, der wiederum zu einer verminderten Akkumulation von N-typ spezifischen Kalziumkanälen (Cav2.2) im Wachstumskegelbereich führt. In vivo Studien an der Motorendplatte (NME) von Nmd-/- Mäuse zeigen eindeutig, dass im prä-symptomatischen Zustand der Mäuse, in dem sie bereits eine Motoneurondegeneration im Rückenmark aufweisen, keine morphologischen Veränderungen an den NMEn zu erkennen sind. Drei Wochen nach der Geburt, wenn die Tiere bereits eine deutliche Hinterlaufatrophie zeigen, ist der Verlust der Motoneurone im Rückenmark nur wenig gestiegen, jedoch der Verlust der NMEn deutlich zu erkennen. Man findet allerdings entweder voll intakte oder komplett degenerierte NMEn. Motorendplatten mit morphologisch sichtbaren degenerativen Veränderungen sind nur äußerst selten (1-2 %). Schlussfolgernd aus unseren in vitro Untersuchungen lässt sich ableiten, dass der Ighmbp2 Verlust in Mausmodel für DSMA1 zu genau den selben morphologischen und funktionellen Veränderungen führt, wie bei SMA Typ 1 Mäusen, die einen Verlust des sogenannten SMN Proteins haben. Aus unseren in vivo Ergebnissen können wir ableiten, dass es sich bei den Nmd-/- Mäusen nicht um einen sogenannten „dying back“ Mechanismus handelt, also die Degeneration zeitgleich im Soma und an der Motorendplatte beginnt. Der Motoneuronverlust ist bereits präsymptomatisch erkennbar, und das Zeitfenster, in dem die Motorendplatten degenerieren, ist so klein, dass die degenerativen Prozesse weder morphologische noch funktionell kaum zu erfassen sind. Die Aussage, in welchem zellulären Kompartiment die Krankheitsmechanismen beginnen zu greifen, ist für den Einsatz späterer Therapeutika extrem wichtig.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2009). IGHMBP2 is a ribosomeassociated helicase inactive in the neuromuscular disorder distal SMA type 1. Hum Mol Genet. 18:1288-1300
Günther U-P, Handoko L, Laggerbauer B, Jablonka S, Chari A, Sickmann A, Gehring N, Alzheimer M, Schuelke M, von Au K and Fischer U