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Analyse von Realstruktureffekten und Diffusionsphänomenen in metastabilen fehlgeordneten Pnicogentelluriden als Schlüssel für das Verständnis ungewöhnlicher Eigenschaften

Fachliche Zuordnung Festkörper- und Oberflächenchemie, Materialsynthese
Förderung Förderung von 2008 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 87528816
 
Erstellungsjahr 2015

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Verschiedene Synthesemethoden und Substitutionsexperimente in Kombination mit detaillierten Strukturuntersuchungen haben zu einem eingehenden Verständnis stark fehlgeordneter, metastabiler Pnicogentelluride auf atomarer Basis beigetragen und ermöglichen die Diskussion von Struktur-Eigenschaftsbeziehungen, die für Anwendungen als Phasenwechsel-Datenspeicher und Thermoelektrika essentiell sind. Insbesondere Germaniumantimontelluride (GST) und Substitutionsvarianten davon sind für beide Anwendungsgebiete gleichermaßen adäquate Modellsysteme. Leerstellen spielen eine entscheidende Rolle: bei hohen Temperaturen sind sie im NaCl-Typ fehlgeordnet, während sie in vielen stabilen Raumtemperaturphasen formal in Van-der-Waals-Lücken von Schichtverbindungen ausgeordnet sind. Durch partielle Ausordnung beim schnellen Abkühlen entstehen ausgeprägte Nanodomänen-Strukturen. Durch Modellierung der diffusen Röntgenstreuung kann die Fehlordnung beschrieben werden, dabei wurden Abstandsverteilungen von Defektebenen, Elementverteilungen und lokale Relaxationen quantifiziert. Beim Erhitzen kann Kationenordnung zu langreichweitig geordneten, aber dennoch metastabilen Überstrukturen des NaCl-Strukturtyps führen. Sowohl die Auswertung der diffusen Streuung in Ge4Bi2Te7 als auch durch die Anwendung resonanter Röntgenbeugung in Ge2Sb2Te5 ergibt eine Konzentrationsmodulation der Kationen. Während das zweiwertige Kation bevorzugt in der Mitte der Schichten auftritt, bevorzugt das dreiwertige Kation Positionen nahe den Van-der-Waals-Lücken. Resonante Röntgenbeugung wurde auch zur Unterscheidung ähnlicher Elemente, wie zum Beispiel Ag, Cd, In, Sn, Sb, Te in weiteren Verbindungen angewendet. Sehr häufig erfolgt nur eine partielle Ausordnung. Die optimierten Messund Verfeinerungsstrategien für multiple Misch- und Teilbesetzungen von Wyckoff-Positionen bei fehlendem Streukontrast wurden in einem praktischen Leitfaden veröffentlicht. Germaniumantimontelluride sind vielversprechende thermoelektrische Materialien, deren Eigenschaften durch vielfältige Substitutionen beeinflusst werden können. Dabei fanden auch unkonventionelle Synthesewege mittels Hochdruck oder Schmelzspinnen Anwendung, um zu metastabilen Proben zu gelangen. Isovalente Substitutionen von Ge durch Cd, Sn, Mn, von Sb durch In oder von Te durch Se erlauben eine Einstellung der elektronischen Eigenschaften und bedingen durch Änderung der Phasenumwandlungstemperaturen auch die Ausbildung anderer Nanostrukturen beim Abschrecken. Ersetzt man Ge(II) durch Cr(III), Ag(I) oder Li(I), kann zusätzlich die Leerstellenkonzentration variiert werden. Insbesondere Li erscheint attraktiv, da leerstellenfreie Proben stabiler sind und Li bezüglich der Phononenstreuung eine „Pseudo-Leerstelle“ darstellt. Beim Versuch des Einbaus von Co oder Cu wurden zweiphasige Proben erhalten. Mit Skutterudit-, Cobaltgermanid- oder Kupfertellurid-Präzipitaten in GST-Matrices ergeben sich heterostrukturierte Proben mit überraschend hohen thermoelektrischen Gütefaktoren, die zudem erstaunlich temperaturbeständig sind. Die umfassende thermoelektrische Charakterisierung sowohl der homogenen als auch der heterostrukturierten GST-Varianten konnte mit Strukturuntersuchungen gut korreliert werden. Hysteresen und ungewöhnliche Verläufe der thermoelektrischen Messkurven sind stets durch Phasenumwandlungen oder Änderungen der Realstruktur bedingt, welche ex situ mittels Elektronenmikroskopie und in situ mittels Hochtemperaturpulverdiffraktometrie oder DSC nachgewiesen wurden. Durch Laue-Beugung mit mikrofokussierter Synchrotronstrahlung können Phasenumwandlungen und Änderungen der Realstruktur in „Echtzeit“ beobachtet und gleichzeitig Domänenstrukturen aufgeklärt werden. Insgesamt hat das Zusammenspiel von Elektronenmikroskopie und Synchrotronmethoden sehr erfolgreich Zugänge zu teils überaus komplexen Phänomenen eröffnet.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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