Neue Märkte? Wirtschaftliche Beziehungen zwischen Italien und Oberdeutschland im 17. Jahrhundert (1630-1700)
Final Report Abstract
Während die historische Forschung lange Zeit von einem generellen Bedeutungsverlust des Transalpinhandels nach 1630 ausgegangen ist, zeigen die Forschungen des Teilprojekts, dass zwar ein Rückgang des Handelsvolumens wahrscheinlich, ein grundsätzlicher Niedergang der transalpinen Wirtschaftsbeziehungen jedoch nicht nachzuweisen ist. Vielmehr scheinen die betroffenen Kaufleute flexible Strategien der Anpassung an die jeweilige Situation verfolgt zu haben. Spätestens mit dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs ist von einem erneuten Aufschwung der transalpinen Wirtschaftsbeziehungen, die zum Teil von neuen Akteuren getragen wurden, auszugehen. Die Untersuchungen ergaben, dass die Kaufleute in weitläufigen und komplexen Netzwerken operierten, wobei die jeweilige Einbindung und Strukturierung dieser Netzwerke wesentlichen Einfluss auf die geschäftlichen Möglichkeiten einer Handelsgesellschaft hatten. Die Handelsgesellschaften unterhielten nur noch in Einzelfällen Faktoreien und wickelten ihre Geschäfte überwiegend über Geschäftspartner und Kommissionäre ab. So traten die Handelsgesellschaften der Saminiati auf den Bozner Messen nur indirekt in Erscheinung, sie korrespondierten jedoch mit Kaufleuten, die in Bozen aktiv waren. Die Teilnahme auf Märkten wie den Bozner Messen war damit nicht nur vom persönlichen Kontakt zwischen Kaufleuten geprägt, sondern ein Teil der Akteure repräsentierte einen weiteren Teilnehmerkreis, der nicht persönlich präsent war. Diese Delegierung von Geschäftsvollmachten dürfte auch das Bedürfnis nach Rechtssicherheit erhöht haben, wie sie im Laufe des 17. Jahrhunderts durch die Gründung kaufmännischer Handelsgerichte in Bozen und später in anderen deutschen Marktorten zum Ausdruck kam. Hinsichtlich der Marktorte innerhalb der transalpinen Geschäftsnetzwerke scheint Wien für den Warenhandel und Finanzierungsgeschäfte von größerer Bedeutung gewesen zu sein als bislang wahrgenommen. In konzeptioneller Hinsicht konnte im Rahmen des Teilprojekts auf Basis sozialwissenschaftlicher Ansätze ein innovatives Konzept zur Analyse historischer Märkte ausgearbeitet werden. Märkte entstehen demnach durch strukturierte Formen sozialer Interaktion mit dem Ziel des Transfers von Gütern unter konkurrierenden Teilnehmern. In Abhängigkeit von spezifischen Qualitäten der Produkte entstehen spezialisierte Märkte, deren Akteure sich und die zu tauschenden Güter als äquivalent wahrnehmen. Durch verschiedene Formen der Qualitätsvereinbarungen und -gewährleistung entstehen unterschiedlich strukturierte Formen von Märkten. Dieser Ansatz hat sich bei der Analyse historischer Märkte im Rahmen des Projekts für das systematische Verständnis von Geschäftspraktiken bewährt.
Publications
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Economies of Quality as a Concept for Research on Luxury, in: Luxury in the Low Countries. Miscellaneous reflections on Dutch and Flemish material culture (1400– 2000), Rengenier C. Rittersma (Hg.) (Geschiedenis en Erfgoedstudies), Brussels 2010, 26–44
Christof Jeggle
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Einleitung, in: Praktiken des Handels. Geschäfte und soziale Beziehungen europäischer Kaufleute in Mittelalter und früher Neuzeit, Mark Häberlein und Christof Jeggle (Hg.), Konstanz 2010 (Irseer Schriften, N. F., Bd. 6), 15–35
Christof Jeggle mit Mark Häberlein
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Sektion S 14: Merchant Networks and the European Cities (14th–18th Centuries), in: Sammelbericht von der 10. Konferenz der European Association for Urban History, ‚City and Society in European History’, Ghent, 1.–4.9.2010, Informationen zur modernen Stadtgeschichte 2/2010, 114–115
Christof Jeggle