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Reklamationskompetenz - Handlungsprobleme infolge von Kommunikationsbarrieren beim Online-Shopping und Voraussetzungen für deren Bewältigung

Fachliche Zuordnung Empirische Sozialforschung
Förderung Förderung von 2008 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 88943300
 
Erstellungsjahr 2012

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das DFG-Projekt ‚Reklamationskompetenz – Handlungsprobleme infolge von Kommunikationsbarrieren beim Online-Shopping und Vorraussetzungen für deren Bewältigung’ liefert eine Rekonstruktion jener Wissensbestände und Handlungsstrategien, auf die der unzufriedene Kunde zurückgreift, wenn er einen Reklamationsanlass bei einem Anbieter geltend macht und dafür eine Kompensation, gleich welcher Art, fordert. Da nahezu keine soziologische Forschung zum Reklamationsablauf (einschließlich Begleithandlungen) vorliegt, zielt die Untersuchung zunächst auf ein generelles Verständnis von Reklamieren. Darüber hinaus interessieren vor allem die kundenseitigen Strategien, welche aus Sicht der Reklamierenden als ermächtigend und selbstwirksam bewertet werden. Im Rahmen der Forschung konnten wir dabei vor allem Erträge in folgenden Teilgebieten verzeichnen: • Modell zum Ablauf von Reklamationen und zur Reklamationsformulierung • Handlungsablaufmodell des Reklamierens • Bewertungsebenen abgeschlossener bzw. abgebrochener Reklamationen und Kompetenzelemente beim Reklamieren • Erkenntnisse zu mediatisiertem Konsum. Zusammenfassend halten wir folgende Ergebnisse für besonders berichtenswert: 1. Reklamieren ist eine komplexe Reparaturhandlung in Anbieter-Kunden-Beziehungen, die in einen Handlungsmöglichkeitsraum unzufriedener Konsumenten eingebettet ist. Grundlage des Reklamierens sind dabei die subjektive Erwartungsenttäuschung und die auf Basis des subjektiven Wissensvorrats getroffenen Entscheidungen. 2. Reklamieren ist eine aushandlungsbedürftige Situation, die sich in vielen Aspekten von anderen Anbieter-Kunde-Interaktionen und vom Online-Kauf unterscheidet und darin spezifische Anforderungen an den Reklamierenden (und den Reklamationsbearbeiter) stellt. Von Reklamierenden unterschiedlich wahrgenommenen Handlungsbarrieren werden dabei auf differenzierte Weise überwunden. 3. Erfolgreiches ebenso wie kompetentes Reklamieren kann nicht auf eine explizite Handlungsstrategie reduziert werden. Kompetentes Reklamieren, d.h. der als selbstwirksam empfundene Einsatz der eigenen Fähigkeiten, die Motivation zum Reklamieren und die wahrgenommene und in Durchsetzung angelegte Berechtigung zu Reklamieren, verweist nicht nur auf eine kontextsensitive Reflexion eigener Handlungen und der Bewertung des zugrunde liegenden Handlungsentwurfs, sondern auch auf den kontextsensiblen Rückgriff auf Handlungsorientierungen. 4. Reklamationen und Reklamationserfahrungen beeinflussen nicht nur zukünftige Reklamationen, sondern darüber hinaus das Konsumhandeln des Konsumenten. 5. Infolge der gesteigerten Chancen und Risiken des zeitlich, räumlich und sozial entgrenzten Zugangs zum Anbietermarkt lassen sich einige Handlungsmuster des Reklamierens als Reaktion auf den neueren Medienwandel und die zunehmende Komplexität des Marktes bei Konsumenten finden, welche vor allem als Hinweise auf die zunehmende Komplexität eigenen Konsumhandelns zu deuten sind. Die gestiegene Komplexität der Marktstruktur und die Eigenheit des Onlinemediums führen zur Häufung von Konsumroblemen und damit möglichen Reklamationen. Die Antizipation solcher Probleme und die damit verbundenen Handlungsstrategien sind als Anpassungsprozess an diese gesteigerten Chancen und Risiken zu werten. Begleitende Handlungen beim Kaufen und eine gesteigerte Aufmerksamkeit (Monitoring von Angeboten, Anbietern, wie auch das Self-Monitoring) in den Phasen des Konsums gehören bei erfahrenen und sehr aktiven Onlineshoppern zunehmend zum Konsumalltag und stehen in Bezug zu Erfahrungen aus vergangenen und Erwartungen an mögliche Reklamationen. In der Konsumsoziologie werden Reklamieren und Konsumieren zumeist losgelöst voneinander behandelt. Reklamieren als Möglichkeit, gescheitertes bzw. scheiterndes Konsumieren zu kompensieren bzw. zu reparieren, ist inkrementeller Bestandteil auch routinisierten Konsumhandelns. Reklamationserfahrungen und Erwartungen prägen die subjektiven Relevanzen des Konsumenten. Dabei befördert das Onlineshoppen als ein Phänomen des neueren Medienwandels mit den Möglichkeiten des Internet eine Verschiebung der Machtasymmetrien zwischen Anbieter(organisation) und (unzufriedenem) Kunden. Aufgrund der raum-zeitlichen und sozialen Entgrenzung verändern sich zunehmend nicht nur Handlungsoptionen, sondern auch die Erwartungen des Reklamierenden. Die gesteigerte Komplexität des Marktplatzes Internet befördert dabei eine Komplexitätssteigerung im Konsumhandeln (in Form langfristiger und detaillierter Markt- und Anbieterbeobachtung, der Antizipation möglicher Risiken und der situativen Adaption an die Vielfalt von anbieterseitigen Gegenübern von der Privatperson bis zum transnationalen Konzern), welche die Risiken und Chancen dieser Entwicklung berücksichtigt. Das Forschungsprojekt liefert damit nicht nur einen Beitrag zum Verständnis mediatisierten Konsumhandelns, es zeigt auch die Relevanz von Unzufriedenheit (genauer Reklamieren) im Konsumprozess auf, die bisher nicht systematisch erfasst worden ist.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2010): Soziologie der Kompetenz. Wiesbaden: VS
    Kurtz, Thomas / Pfadenhauer, Michaela
  • 2010): Towards the Methodical Fixation of Fragmented and Elusive Social Proceedings in the Context of the Internet: Considerations on Complains Due to Online Computer Shopping. ESA Midterm Conference (RN 20 ‚Qualitative Methods’) on ‚Innovating Qualitative Research: Challenges and Opportunities’, Bayreuth
    Eisewicht, Paul; Grenz, Tilo
  • (2011): „Motzer, Faule & Angsthasen“. Radio KIT, 2011
    Paul Eisewicht
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.5445/DIVA/2011-326)
  • (2012): Emotionen beim Reklamieren infolge von Online­Shopping. In: Soeffner, Hans‐Georg (Hrsg.): Transnationale Vergesellschaftungen. Verhandlungen des 35. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Frankfurt am Main 2010. Wiesbaden: VS Verlag
    Grenz, Tilo/Eisewicht, Paul
  • (2012): Organisierte Unzufriedenheit. Gemeinsame Bekämpfung von Unsicherheit infolge transnationalen wirtschaftlichen Handelns. In: Soeffner, Hans‐Georg (Hrsg.): Transnationale Vergesellschaftungen. Verhandlungen des 35. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Frankfurt am Main 2010. Wiesbaden: VS Verlag
    Pfadenhauer, Michaela/Eisewicht, Paul
  • (2012): „Warum schminken sich Frauen? … und Männer tun es nicht? Interview mit Sonja Pathe für den jungen Kulturkanal/ ExtraHertz, 2012
    Paul Eisewicht
 
 

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