Die Abtei Saint-Gilles-du Gard. Bauforschung zur Baugeschichte eines vergessenen Hauptwerks der französischen Romanik - AEGIDIANA
Final Report Abstract
Das Forschungsprojekt Aegidiana knüpfte an eine rezente bauforscherische Untersuchung der berühmten Westfassade der Kirche an und hatte die Realisierung einer umfangreichen Vermessung und bauforscherischen Untersuchung der gesamten ehemaligen Klosteranlage und Kirche von Saint-Gilles-du-Gard zum Ziel, im Verband mit archäologischen Grabungen und archivalischen Untersuchungen. Die deutsch-französische Zusammenarbeit, die sich bereits an einem anderen Klosterprojekt im Midi bewährt hatte, sollte die sich ergänzenden Kompetenzen, das verformungsgerechte Hand- und Tachymeteraufmaß einerseits (Institut für Architekturgeschichte der Universität Stuttgart) sowie grabungsarchäologische Forschungen, Analyse der archäologischen Inventare und Archivforschungen andererseits (Laboratoire d’Archéologie Médiévale Méditerranéenne LAMM UMR 6572/ heute LA3M UMR 7298, CNRS/Université de Provence/Aix-Marseille Université/AMU) zu einer umfassenden bauarchäologischen Studie vereinen. Das Projekt hat in den wesentlichen Punkten sein Ziel erreicht und darüber hinaus mit seinen Ergebnissen neue Perspektiven und weiterführende Fragestellungen eröffnet. Die bauforscherische Studie, gestützt auf das stein- und verformungsgerechte Tachymeteraufmaß für die Vermessung der Gesamtanlage und einem extrem detaillierten Handaufmaß im Maßstab 1:10 für ausgewählte Teilbereiche, insbesondere zur Untersuchung der ältesten Teile der Kirche, haben zu einer sehr genauen Aufschlüsselung von Bauetappen geführt und die Spätdatierung der berühmten Kirche bestätigt, die einen Teil des bereits existierenden Kreuzgangs überbaute und damit eine Verkleinerung und Umstrukturierung des Klausurbereiches und einen teilweisen Neubau der Galerien zur Folge hatte. Der extrem komplexe Bauvorgang der Abteikirche zog einige Unregelmäßigkeiten, Änderungen und Verzögerungen mit sich, die indirekt auf die Existenz eines oder mehrerer Vorgängerbauten verweisen: ein Gegenstand für zukünftige archäologische und geophysikalische Untersuchungen. Die Studien zu den Baumaterialien, insbesondere den verschiedenen Steinvarietäten, haben in bestimmten Bereichen die Wiederverwendung älteren Werksteinmaterials bestätigt, das wahrscheinlich von einer romanischen Vorgängerkirche stammt und zu dem auch die in einen Block der Südwand eingemeißelte Bauinschrift von 1116 gehört, welche allen stilistischen und typologischen Parallelen zum Trotz bisher der heutigen, sicher nicht vor dem letzten Viertel des 12. Jhs. begonnenen Kirche zugeschrieben wurde. Die archäologische Grabung im ehemaligen Kreuzgang, über die finanzielle Förderung des DFG-ANR-Programms hinaus auch von der DRAC Languedoc-Roussillon unterstützt, ermöglichte es, sowohl die jüngere Geschichte des stark zerstörten Klausurbereiches aufzuschlüsseln, dessen romanische Arkaden im späteren 18.Jh. vollständig abgebrochen wurden, als auch die Geschichte der Besiedelung des Ortes bis zu ihren spätantik-frühmittelalterlichen Anfängen zurückzuverfolgen, deren Phasen durch die stratigraphische Analyse und Radiokarbonuntersuchungen schlüssig datiert werden konnten. Einer Aufschüttung eines natürlichen Grabens im Frühmittelalter, sehr wahrscheinlich der Grund für erhebliche Bauschäden im Bereich der später gebauten, heute überkommenen Abteikirche, folgte in karolingischer Zeit der Bau von monumentalen Gebäuden, die schon vor einer wohl bescheideneren Neubesiedlung im 10. Jahrhundert nicht mehr bestanden. Im frühen 12.Jh. wurde der Bereich mit dem Bau der Klausurbauten und der Galerien des romanischen Kreuzgangs, dessen Hof von Beginn an als Friedhof genutzt wurde, vollständig umgeformt. Der in den neu aufgearbeiteten Schriftquellen des 16.- 19. Jahrhunderts gut belegte neuzeitliche Niedergang des Klosters, das 1538 in ein Stift umgewandelt wird, spiegelt sich auch in einer Laizisierung des Friedhofs sowie in der Errichtung einer Bußbrüderkapelle (Chapelle des Pénitents) in den Jahren 1602-1603 anstelle des mittelalterlichen Ostflügels wider. Zwar verhindern die massiven Zerstörungen der Religionskriege und der nachfolgenden Bau- und Abbruchsmaßnahmen eine schlüssige Rekonstruktion der den widersprüchlichen Schriftquellen zufolge mutmaßlich unvollendet gebliebenen Oberkirche, doch kann der Bauprozess der erhaltenen und mancher verlorengegangener Teile der Anlage in einzelnen detaillierten Bauetappen dargestellt und anhand eines 3D Modells visualisiert werden, das als wichtiges Korrektiv für die Bauanalyse von Beginn an eingesetzt wurde und sich aufgrund der Detailgenauigkeit als schwierig und zeitaufwendig, jedoch außerordentlich hilfreich und sinnvoll erwies. Die Ergebnisse des Projektes wurden auf verschiedenen Kolloquien und Vortragsveranstaltungen vorgestellt und stoßen beim Fachpublikum auf großes Interesse.
Publications
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