Konfessionsverschiedene Ehen als Instanzen der religiösen Sozialisation. Zur Tradierung des Religiösen in (bi)konfessionellen Kontexten
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt richtete sich auf eine Analyse der Auswirkungen von Konfessionsverschiedenheit auf die religiöse Sozialisation in evangelisch-katholischen Familien in Westdeutschland in den 1950er bis 1980er Jahren. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, ob die Sozialisation in einer bikonfessionellen Familie zu einer (Re-)Konfessionalisierung oder einer Entkonfessionalisierung von Handlungs- und Reflexionsmustern führte. Dieser Frage sollte u.a. im Zusammenhang mit der Kindererziehung und dem Wandel der religiösen Identität nachgegangen werden. Im Hinblick darauf sollten Phasen in der Entwicklung gemischtkonfessioneller Eheschließungen, der Einfluss unterschiedlicher Sozialisationsfaktoren auf die Bereitschaft zu solchen Ehen und der Wandel der kirchlichen Haltung gegenüber dem Problem der konfessionellen Heterogamie untersucht werden. Die Untersuchung quantitativer Entwicklungstendenzen von konfessionsverschiedenen Eheschließungen hat zum einen ergeben, dass die 1960er Jahre eine Phase deren beschleunigten Anstiegs bildeten, während im vorausgegangenen Jahrzehnt ihre Zunahme vergleichsweise gering ausfiel und in den 1970er und 1980er Jahren ihr Anteil stagnierte. Zum anderen deuteten diese Tendenzen im Ganzen darauf hin, dass die Entwicklung im Bereich der konfessionsverschiedenen Ehen im Wesentlichen parallel zu den Prozessen im Rahmen der konfessionellen Homogamie verlief. Im Hinblick auf die Kindererziehung und die Rolle der Konfession fanden im Kontext konfessionsverschiedener Ehen und Familien ambivalente Prozesse statt. Einerseits nahm die Relevanz der Konfessionszugehörigkeit für soziales Handeln ab, andererseits blieben konfessionell bedingte Faktoren weiterhin wirksam. Die erzieherische Interkonfessionalität lief dabei auf die Verankerung in der einen Konfession, mit Elementen der Aufgeschlossenheit gegenüber der anderen, der Ökumene und mit einer Relativierung kontroverstheologischer Unterschiede hinaus. Unter den Bedingungen der Pluralisierung und Fragmentierung von Identitäten vollzog sich auch im Rahmen der familialen Bikonfessionalität ein identitätsbezogener Formwandel. Konfession wurde aus einem bewussten und manifesten Identitätsmerkmal zu einem unbewusst und latent wirkenden Moment. Sie wurde gewissermaßen „unsichtbar“. Anhand der Untersuchung unterschiedlicher Identitätsdimensionen konnten drei Typen der konfessionellen Identität – der traditionale, der ökumenische und der fragmentierte – herausgearbeitet werden, die sich teilweise überlappten und historisch entwickelten. In der kirchlichen Auseinandersetzung mit dem Problem der Konfessionsverschiedenheit in Ehe und Familie nach dem Zweiten Weltkrieg ließen sich ebenfalls drei Phasen unterscheiden. In der ersten Phase, die bis in die frühen 1960er Jahre dauerte, dominierten noch traditionelle Positionen und Deutungen. Die zweite Phase, die sich bis in die beginnenden 1970er Jahre erstreckte, stellte eine Periode des Umbruchs und der Reformbewegungen dar. Die dritte Phase der 1970er und 1980er Jahre zeichnete sich durch eine ökumenische Orientierung, gemeinsame Erklärungen bzw. Empfehlungen beider Kirchen, deren gemeinsames Handeln und zugleich einen Relevanzrückgang des konfessionellen Heterogamieproblems aus. Im Ganzen konnte das Projekt sowohl methodisch-theoretisch als auch empirisch ein breiteres Forschungsfeld erschließen und weitere Forschungsperspektiven, etwa im Hinblick auf die Zusammenführung der sozialgeschichtlichen Religionsforschung bzw. der kirchlichen Zeitgeschichte mit einer vertieften sozialisationstheoretischen Analyse, aufzeigen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2010): Konfessionsverschiedene Ehen und Familien als Instanzen der religiösen Sozialisation, in: Mitteilungsblatt des Instituts für soziale Bewegungen 44, 59–88
Owetschkin, Dimitrij
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(2012): Religiöse und konfessionelle Identität in konfessionsverschiedenen Familien. Theoretische Zugänge und historische Entwicklungen in der alten Bundesrepublik, in: Owetschkin, Dimitrij (Hg.), Tradierungsprozesse im Wandel der Moderne, 199–242
Owetschkin, Dimitrij
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(2012): Tradierung, Sozialisation und Moderne: Familienbezüge und Religionskontexte, in: Owetschkin, Dimitrij (Hg.), Tradierungsprozesse im Wandel der Moderne, 7–27
Owetschkin, Dimitrij
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(2012): Tradierungsprozesse im Wandel der Moderne. Religion und Familie im Spannungsfeld von Konfessionalität und Pluralisierung, Essen
Owetschkin, Dimitrij (Hg.)
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(2013): Auf dem Weg zur „Ökumene im Kleinen“. Kirchen, bikonfessionelle Ehen und das evangelisch-katholische Verhältnis in der alten Bundesrepublik, in: Mitteilungen zur Kirchlichen Zeitgeschichte 7, 121–168
Owetschkin, Dimitrij