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Die Funktion von Liturgie und Frömmigkeit in Migrationsprozessen und Gemeindebildung der ostdeutschen Diaspora des 19. und 20. Jahrhunderts

Fachliche Zuordnung Katholische Theologie
Förderung Förderung von 2009 bis 2013
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 93140129
 
Erstellungsjahr 2013

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt knüpfte an verschiedene Forschungsprojekle des Erfurter Lehrstuhls für Liturgiewissenschaft zur Liturgiegeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts sowie Mittel- und Ostdeutschlands an. Es hat die Bedeutung von Liturgie und liturgienaher Frömmigkeitspraxis in zwei Migrationswellen untersucht, die in die mitteldeutsche Industrieregion um Halle führten. Ausgewertet wurden neben liturgischen Büchem, Gebet- und Gesangbüchem, schriftlichen Quellen für das Andachts- und Prozessionswesen vor allem Archivalien, die Einblick in die tatsächliche goltesdienstliche Praxis geben. Die Zuwanderungswelle des 19. Jahrhunderts bestand aus katholischen Arbeitern aus unterschiedlichen Herkunftsländern, die in der protestantisch geprägten Region während der Industrialisierung Arbeit suchten. Die Studie zeichnet die Anfänge der Seelsorge an diesen Migranten, die Entstehung kirchlicher Zentren (Missionen) und die Herausbildung von festen Gemeinden mit differenziertem liturgischen Leben nach. Die Zuwanderung am Ende des 2. Weltkriegs führte vor allem Flüchtlingen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten in die Region. Es konnte gezeigt werden, dass in beiden Migrationen Kirche und Liturgie für die Zuwanderer und Flüchtlinge eine besondere Rolle bei der Beheimatung und Identitätsbewahrung besaßen. Innerhalb der ersten Migration wurde aufgrund der Heterogenität der Migranten diese gemeinsame Identität gleichsam konstruiert, indem man im Laufe der Zeit eine gemeinsame Liturgiefeier schuf und dadurch auch für Neuerungen und Experimente offen war. So wurden innerhalb der Diaspora in katholischen Gemeinden zentrale Anliegen der Liturgischen Bewegung aufgegriffen und sogar bis beispielsweise in die Baugestalt liturgischer Räume hinein umgesetzt. In der zweiten Migration wurde von den Flüchtlingen vor allem aus Schlesien ein einheitlicher Frömmigkeitsstil mitgebracht. Die Erwartungen an die Liturgie war, dass die Frömmigkeit der ehemaligen Heimat auch die Kirche vor Ort und ihre Gottesdienste prägen sollte. Das identitätsstiftende Moment der Liturgie hing stark an Liedern, Festen, Prozessionen, Wallfahrten usw. Sie wurden in die bestehenden Gemeinden hineingetragen und überformten die dort bekannte Liturgie und Frömmigkeitspraxis. An die Stelle von Ständewallfahrten traten Marien- und Annawallfahrten. Eine ausgeprägte Marienfrömmigkeit wurde im gemeindlichen und liturgischen Leben der Migrantengemeinden Normialität. Dieser neue Frömmigkeitsstil setzte sich durch, auch wenn die Gemeinden diesen Neuerungen in der Liturgie zunächst skeptisch gegenübergestanden hatten. Die Untersuchung hat die Liturgiegeschichte im Untersuchungszeitraum wie -gebiet nachzeichnen, die Unterschiede zwischen zwei Migrationen mit Blick auf Liturgie und Frömmigkeit nachweisen und schließlich die vielfältigen Zusammenhänge von Liturgie und Identität - bezogen auf Glauben wie auf soziale Gemeinschaft und Individuum - im Zusammenhang von Migrationen herausarbeiten können.

 
 

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