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Randbedingungen und Versetzungs-Grenzflächen-Wechselwirkungen für eine höherdimensionale Versetzungsdichtetheorie

Fachliche Zuordnung Materialwissenschaft
Förderung Förderung von 2008 bis 2010
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 98403364
 
Erstellungsjahr 2010

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Forschungsvorhaben hatte zum Ziel, Randbedingungen und Versetzungs-Grenzflächen-Wechselwirkungen (VGWW) im Rahmen der klassischen sowie einer kürzlich vorgestellten höherdimensionalen Versetzungsdichtetheorie zu beschreiben. Weiterhin sollten einfache Konstitutivgleichungen in diese Theorien integriert werden. Die so gewonnenen Randbedingungen und Gesetzmäßigkeiten sollten anhand numerischer Beispiele überprüft werden. Damit sollte ein weiterer Schritt in Richtung einer vollständigen und physikalisch fundierten Kontinuumsplastizität gemacht werden. Die wesentlichen Ergebnisse dieses Projekts weichen etwas vom ursprünglichen Ziel einer detaillierten Modellierung von Grenzflächenphänomenen ab. Zum einen stellte sich heraus, dass die Berücksichtigung der Kristallorientierung an Grenzflächen und die Modellierung der dort herrschenden Mehrfachgleitung natürlicherweise in der Sprache großer Deformationen erfolgt. Eine entsprechende Formulierung war für die vom Antragsteller entwickelte Kontinuumstheorie von Versetzungen (CDD, Continnum Dislocation Dynamics theory) noch nicht vollständig verfügbar. Außerdem wurde ein Weg gesucht, eine vereinfachte Version der CDD zu erhalten, um das Arbeiten mit Zusatzdimensionen vermeiden zu können, welche bei der numerische Lösung der Gleichungen problematisch sind. Die wesentlichen Fortschritte in diesem Projekt sind (a) die Übertragung der im Falle kleiner Deformationen entwickelten Methoden auf die Beschreibung im Rahmen der multiplikativen Zerlegung des Deformationsgradienten, (b) die Entwicklung einer kondensierten Beschreibung (sCDD, simplified Continnum Dislocation Dynamics theory), die keinen höherdimensionalen Konfigurationsraum benötigt und (c) die Entwicklung und Validierung von Randbedingungen fuer CDD und die kondensierte Theorie in Anlehnung an beziehungsweise Vergleich mit diskreten Versetzungssimulationen. (a) Im Rahmen großer Deformationen wurde eine Pseudokontinuumsbeschreibung einzelner Versetzungen in einem plastisch verformten und sich weiter verformenden Kristall hergeleitet. Dabei wurden wichtige geometrische Interpretationen der (bekannten) Entwicklungsgleichungen des Versetzungsdichtetensors im Rahmen großer Deformationen gefunden und die bestehenden Interpretationen in der Literatur kritisch überprüft. Es stellte sich heraus, dass die wesentliche kinematische Information zur Versetzungswechselwirkung bei Mehrfachgleitung, dass heißt die Bildung von Kinken und Sprüngen entlang den Versetzungen in der Beschreibung im Rahmen großer Deformationen bereits enthalten ist. (b) Eine kondensierte Theorie wurde zunächst für kleine Deformationen hergeleitet. Es ist hier gelungen, eine Versetzungsdichtetheorie auf Gleitsystemebene zu entwickeln, die mit nur drei internen Parametern je Gleitsystem die Kinematik allgemeiner planarer Versetzungssysteme erstaunlich genau abbildet. Die benötigten Parameter sind die Totalversetzungsdichte, der Versetzungsdichtetensor im Gleitsystem (oder wahlweise die akkumulierte plastische Abgleitung) und eine mittlere Kümmung der Versetzungen. Die kondensierte Theorie wurde erfolgreich sowohl mit der höherdimensionalen CDD wie auch mit diskreten Versetzungsdynamiksimulationen verglichen. Wir sehen diese Theorie als möglichen Ausgangspunkt f¨ur die Entwicklung völlig neuer physikalisch basierter und doch numerisch handhabbarer Plastizitätsgesetze. (c) In Bezug auf das ursprüngliche Ziel der Entwicklung von Randbedingungen und Grenzflächenwechselwirkung wurden numerische Simulationen mit offenen und nicht durchdringbaren Grenzflächen im Rahmen der CDD in Einfachgleitung analysiert. So wurden beispielsweise anhand Simulationen eines Mikrobiegeversuchs unterschiedliche Randbedingungen studiert und in Bezug auf den höherdimensionalen Konfigurationsraum interpretiert. Mit offenen Rändern, an denen Versetzungen das Volumen frei verlassen können und gleichzeitig Oberflächenquellen aktiviert werden, konnten sehr gute Übereinstimmungen mit Simulationsdatan aus diskreten Versetzungsdynamik Simulationen (DDD) erzielt werden. Für undurchlässige Grenzflächen konnte ermittelt werden, welche mathematische Form Randbedingungen annehmen müssen, um physikalisch sinnvoll z.B. einen Versetzungsaufstau zu bewirken. Neben den rein kinematischen Entwicklungen wurde auch Erfahrung mit der Berücksichtigung eines Rückspannungsterms in der CDD gesammelt. Ein vereinfachter Rückspannungsterm wurde auch im Rahmen der kondensierten Theorie eingeführt und in den Vergleichen mit diskreten Versetzungsdynamiksimulationen verwendet. Viele Fragen die Kontinuumsmodellierung von Versetzungs-Grenzflächen-Wechselwirkung betreffend bleiben vorerst unbeantwortet. Doch ist nun der Rahmen in den sie zu integrieren sind klar gesteckt. Die CDD ist nun im wesentlichen auf große Deformationen und Mehrfachgleitung übertragen. Die vollständige kontinuumsmechanische Behandlung der Einzelversetzung ist offensichtlich der Schlüssel zu einer Übertragung der Kenntnisse auf der Ebene einzelner Versetzungen in eine Kontinuumstheorie. Das trifft gleichermaßen auf die höherdimensionale Theorie wie auf die kondensierte Theorie zu. Die kondensierte Theorie ist nämlich nur durch Fortschritte in der höherdimensionalen voranzutreiben, da sie aus dieser durch Integration abgeleitet wird. Daher steht die kondensierte Theorie noch nicht im Rahem großer Deformationen und für Mehrfachgleitung zur Verfügung. Dennoch ist die kinematische Beschreibung von Versetzungssystemen durch Dichtetheorien durch die hier erzielten Ergebnisse sehr weit fortgeschritten. Neben die verbleibende theoretische Weiterentwicklung muss daher nun eine zeitgemäße numerische Implementierung der Gleichungen im Rahmen von Finite-Elemente-Programmen treten.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • 2009, A 3D-continuum theory of curved dislocations: theory and application to bending of a thin film. 3. GAMM-Seminar on Multiscale Material Modelling, Karlsruhe
    Sandfeld, S., Zaiser, M., Hochrainer, T.
  • 2009. Application of a 3D-Continuum Theory of Dislocations to Problems of Constrained Plastic Flow: Microbending of a Thin Film. Mater. Res. Soc. Symp. Proc. 1224
    Sandfeld, S., Zaiser, M., Hochrainer, T.
  • 2009. Dislocation transport and line length increase in averaged descriptions of dislocations. AIP Conference Proceedings 1168 (1), 1133–1136
    Hochrainer, T., Zaiser, M., Gumbsch, P.
  • 2009. Expansion of quasi-discrete dislocation loops in the context of a 3d continuum theory of curved dislocations. AIP Conference Proceedings 1168 (1), 1148–1151
    Sandfeld, S., Zaiser, M., Hochrainer, T.
  • 2009. Symposium on modelling complex materials. Materials behavior below the scale of the representative volume element. AIP Conference Proceedings 1168 (1), 1121–1122
    Zaiser, M., Hochrainer, T.
  • 2010, A 3D-Continuum Theory of Curved Dislocations: Application to Problems of Constrained Plastic Flow and Study of Higher Order Boundary Conditions. 81st Annual Scientific Conference GAMM, Karlsruhe
    Sandfeld, S., Zaiser, M., Hochrainer, T., Gumbsch, P.
  • 2010. Numerical implementation of a 3d continuum theory of dislocation dynamics and application to microbending. Phil. Mag. 90., 3697–3728
    Sandfeld, S., Hochrainer, T., Zaiser, M., Gumbsch, P.
  • 2010. The evolution of dislocation density in a higher-order continuum theory of dislocation plasticity. Ph.D. thesis, The University of Edinburgh, Shaker Verlag, Aachen
    Sandfeld, S.
  • 2010. Continuum modeling of dislocation plasticity: Theory, numerical implementation and validation by discrete dislocation simulations. J. Mater. Res.
    Sandfeld, S., Hochrainer, T., Zaiser, M., Gumbsch, P.
 
 

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