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Der Einfluss von Bewegung auf die Entstehung der Wahrnehmungsform Landschaft und die Veränderung von Landschaften durch Verkehrsmittel

Fachliche Zuordnung Städtebau/Stadtentwicklung, Raumplanung, Verkehrs- und Infrastrukturplanung, Landschaftsplanung
Förderung Förderung von 2009 bis 2013
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 104240233
 
Erstellungsjahr 2012

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt hatte das Ziel, aktuelle Fragen zu Landschaft und Verkehr u. a. am Beispiel der Waldschlößchenbrücke in Dresden zu diskutieren. Im Zentrum stand dabei die Untersuchung des professionellen Verhältnisses von Verkehrsplanung und Landschaftsplanung der letzten 90 Jahre, denn als entscheidend sowohl in den konkreten Planungsfällen als auch in den theoretischen Diskursen zwischen den Professionen haben sich die paradigmatischen Vorannahmen der beiden Disziplinen und die jeweilige interne Weiterentwicklung ihrer Argumentationsmuster erwiesen. Ziel war nicht, den „richtigen“ Standpunkt in den Debatten zu finden, vielmehr verdeutlichen die Beispiele, welche Argumente sich rückblickend aus der Fachentwicklung und deren Verwissenschaftlichung logisch ergeben. Daraus folgt, dass nicht einzelne Mentalitäten der Grund misslingender Kommunikation sind, sondern strukturell verschiedene Problembestimmungen und Lösungsstrategien, da sich differente Fortschrittsmodelle gegenüberstehen: Während für die Verkehrsplanung Fortschritt mit Wirtschaftswachstum verbunden ist, ist für die Landschaftsplanung Fortschritt „organisches“ Wachstum, das die Erhaltung und Steigerung von Vielfalt und Eigenart unter Berücksichtigung traditioneller Vorgaben meint. Beide Ideen sind mit unterschiedlichen Gestaltungsvorstellungen verbunden und messen den naturräumlichen Gegebenheiten einen konträren Stellenwert zu. Eine fallbezogene Kommunikation über diese Differenzen ermöglicht es letztlich, Gemeinsamkeiten zu suchen und praktisch kooperierend aufeinander zu reagieren. Das Paradigma der Verkehrsplanung zentriert sich um die Vorstellung eines grenzenlosen, stetig wachsenden Verkehrsflusses. Der konstituierte enge Zusammenhang von Verkehrsaufkommen und Wirtschaftskraft sowie individueller Autonomie gehört zur Grundlegitimation der Tätigkeit von Verkehrsplanung und ist Ausgangspunkt ihrer Überlegungen und Voraussetzung ihrer vorrangigen hoheitlichen Bedeutung. Dementsprechend wird Landschaft seit den 1970 /80er Jahren vor allem als technische Herausforderung für Statik und Trassenführung verstanden. Anforderungen an Umwelt- und Naturschutz fließen durch externe Planverfahren in Maßnahmen der Verkehrsinfrastruktur ein. Ein eigenständiges Interesse an der Eigenart und Vielfalt von Landschaft gibt es nicht, die Gestaltung von Trassen ist an rationellen, vornehmlich ökonomischen Kriterien orientiert. Die Landschaftsplanung hat sich im Laufe der letzten hundert Jahre von einer ehemals gestalterischen Disziplin (Heimatschutz), zu einer verwissenschaftlichten und verfahrensrechtlich orientierten Disziplin gewandelt. Aufgrund der anwendungsbezogenen ökologischen Perspektive bestehen enge Verbindungen zum Naturschutz. Das führte vor allem in den letzten 30 Jahren dazu, dass der Bau von (Verkehrs-) Infrastrukturen über die Eingriffs-Ausgleichsregelung als möglichst zu verhindernde, mindestens aber zu kompensierende Intervention in „natürliche“ Biotope, Ökosysteme etc. gewertet wird. Infrastrukturen werden nicht mehr als gestalterische Herausforderung und Bereicherung der Landschaft, im Sinne der Steigerung der Vielfalt, angesehen, sondern als Landschaftsverbrauch, der durch Abpflanzungen zu kaschieren ist. Das heute so konfliktreiche Verhältnis der Disziplinen bestand so nicht immer: das bis in die 1960er Jahre gültige, aus dem Heimatschutz kommende Ideal der „landschaftsgerechten Straße“ ermöglichte ein gestalterisch hochwertiges Zusammenwirken beider Professionen. Nach der Ausdifferenzierung und Verwissenschaftlichung ihrer jeweiligen Positionen ergeben sich aber auch heute Spielräume, die die Interessen beider Professionen wahren und als moderner Heimatschutz interpretierbar sind. Sie entstehen vor allem durch die wachsenden Legitimationsprobleme bei Infrastrukturprojekten und die Stagnation des Verkehrsaufkommens bei steigenden Kosten der Infrastrukturerhaltung auf Seiten der Verkehrsplanung. Auf Seiten der Landschaftsplanung ist es die dem eigenen Paradigma widersprechende Praxis der anonymisierenden Standardabpflanzungen und vor allem die im Rahmen von Nachhaltigkeitskonzeptionen im Fach erstarkenden gestalterisch orientierten Ansätzen, die eine Loslösung von einer grundsätzlich jeglicher Infrastruktur gegenüber skeptisch gesinnten Haltung ermöglichen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2010): Adern der Wirtschaft - Verkehrsplanung in städtebaulichen Leitbildern. In: Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung (Hrsg.): Planerin, Fachzeitschrift für Stadt-, Regional- und Landesplanung. H. 6/2010. S. 53-54. Berlin
    Holzapfel, H.; Protze, K.
  • (2010): Amerikanische Landschaften. J.B. Jackson in der deutschen Rezeption. Sozialgeographische Bibliothek, Bd. 13. Stuttgart
    Körner, S.
  • (2010): Verkehrsbauten und Landschaft - nur ein ästhetisches Problem?, In: IfR, Informationskreis für Raumplanung e.V. (Hrsg.): RaumPlanung 153, Dezember 2010. S. 267- 271. Dortmund
    Holzapfel, H.; Protze, K.
  • (2010): Verkehrsplanung in den „Neuen Bundesländern“: Erfahrungen aus der Praxis. In: Altrock, U. et al. (Hrsg.): Zwanzig Jahre Stadt und Regionalplanung seit der deutschen Wiedervereinigung. Planungsrundschau, Buchreihe für Planungstheorie und Planungspolitik Nr. 20. S. 315- 324. Kassel
    Holzapfel, H.
  • (2010): Waldschlösschen- und Mittelrheinbrücke: politisch gewollt – planerisch sinnvoll? In: AKP, Fachzeitschrift für Alternative Kommunalpolitik, H. 6/2010, 31. Jg. S. 28-30. Bielefeld
    Czekaj, T.
  • (2011): Die landschaftsgerechte Straße – ein Gestaltungsideal bis heute? In: Bayerische Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege und Lehrstuhl für Landschaftsökologie der TU-München (Hrsg.): Landschaftsökologie. Grundlagen, Methoden, Anwendungen. Laufener Spezialbeitrag (LSB) H. 1/2011. S. 144-148 Laufen an der Salzach
    Körner S.; Nagel, A.
  • (2011): Parallelen und Konsequenzen der Verwissenschaftlichung von Naturschutz und Denkmalschutz. Neue Thesen zum Verhältnis von Naturschutz und Denkmalschutz. In: Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz (Hrsg.): Kultur und Natur – ein Widerspruch? Historische Festungen: Denkmalpflege und Landschaftsschutz. S. 185-205. Köln
    Körner S.; Nagel, A.
  • (2011): „Urbanismus und Verkehr. Bausteine für Architekten, Stadt- und Verkehrsplaner“. Wiesbaden
    Holzapfel, H.
 
 

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