Development of complex societies in sub-Saharan Africa: The Nigerian Nok Culture
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im Mittelpunkt des DFG-Langfristvorhabens „Development of complex societies in sub-Saharan Africa: The Nigerian Nok Culture“ stand die Frage, ob die Nok-Kultur eine der frühesten komplexen Gesellschaften im subsaharischen Afrika darstellt. Die Annahme beruhte auf den kunstvollen Terrakotten, deren Ursprung vor den Arbeiten des Projektes kaum ohne stratifizierte soziale Gemeinschaft erklärbar schien. Um dies zu untersuchen, erfolgten 84 Ausgrabungen, darunter großflächige Siedlungsgrabungen, ausgewählt aus fast 500 lokalisierten und sicher klassifizierten Nok-Fundstellen. Sie lieferten umfangreichen Fundstoff und Informationen zur Beschaffenheit der Stellen und schufen Voraussetzungen, um sich mit den Kernthemen des Projektes zu befassen. Hierzu gehörten Chronologie, Siedlungsweise und Sozialstruktur, Wirtschaftsweise und Umwelt, Verbreitung, regionale Unterschiede und die Analyse der Funde aus Keramik, Terrakotta und Stein sowie der Hinterlassenschaften der Eisenmetallurgie. Chemische Untersuchungen beschäftigten sich mit der Zusammensetzung der Tone von Terrakotten und Gefäßkeramik, der Sedimentzusammensetzung in speziellen Befunden und Lipiden in Gefäßkeramik. 270 14C-Datierungen an Proben sicheren Kontextes und die Analyse der Keramik ermöglichten die Dauer und Entwicklung zu beschreiben und den Komplex neu zu definieren. Demnach tritt die Nok-Kultur um etwa 1500 v. Chr. auf und endet mit der Zeitenwende. Die erste Phase (1500-900 v. Chr.) umfasst die Einwanderung der hauptsächlich Hirse anbauenden bäuerlichen Gemeinschaft. Die zweite Phase (900-400 v. Chr.) kennzeichnen ein sprunghaftes Anwachsen der Besiedlungsdichte, der Beginn der Herstellung von großen Mengen an Terrakotta-Skulpturen und im jüngeren Abschnitt das Aufkommen der durch Öfen, aber kaum durch Objekte erfassten Eisenmetallurgie. Die letzte Phase (400 v. Chr.-Zeitenwende) ist vom abrupten Rückgang der Besiedlung und schließlich dem Verschwinden der Nok-Kultur geprägt. In keinem Fall wurden Hinweise auf dauerhafte Bauten angetroffen. Geringe Fundmengen und Größe der Stellen sowie Befundarmut und geringmächtige Ablagerungen deuten vielmehr auf eine von Streusiedlungen dominierte Siedlungsweise mit Häusern aus vergänglichem Material hin. Damit war die Annahme von der Nok-Kultur als komplexe Gesellschaft widerlegt und durch ein Modell einfacher, semi-sesshafter, bäuerlich wirtschaftender Gemeinschaften mit überwiegend familiär organisierter Sozialstruktur ersetzt. Die Vergesellschaftung von Terrakotta-Deponierungen mit Gräbern führte zur Erklärung des Zwecks der Terrakotten als Bestandteil komplexer Bestattungsrituale. Die naturwissenschaftlichen Untersuchungen umfassten die Analyse von Holzkohle und verkohlten Früchten und Samen, außerdem eine umfangreiche Studie zu chemischen Nahrungsmittelrückständen in Keramik. Eindeutige Hinweise auf Haustiere wurden nicht gefunden, eher scheint die Jagd auf Wildtiere eine bedeutende Rolle gespielt zu haben. Die Subsistenz beruhte im Wesentlichen auf Perlhirse und Kuhbohne, die die Menschen der Nok-Kultur aus dem Norden, möglicherweise auf direktem Weg aus der Sahara kommend, mitgebracht hatten. Auf kulturelle Kontakte mit autochthonen Jäger-Sammlern weisen die Ölpflanze Canarium schweinfurthii und die Nutzung von Honig und Knollenpflanzen hin. Die Rückstandsanalyse konnte zum ersten Mal für das prähistorische Afrika die Verarbeitung von Blattgemüse nachweisen. Einmalig für Westafrika ist die Dominanz von Perlhirse-Körnern und das Fehlen von Druschresten in 50 archäobotanisch untersuchten Nok-Fundplätzen. Wir interpretieren dies als Indiz für die Verwendung gereinigten Getreides für Festmähler im Kontext von Bestattungsritualen. Die Landwirtschaft beruhte auf Wechselfeldbau, der über lange Zeit keine Degradation der Vegetation – ein Mosaik von Trockenwäldern und Savannen – zur Folge hatte. Möglicherweise hat jedoch die zunehmende Holznutzung für die Eisenmetallurgie ab ca. 500 v. Chr. die Erosion auf den landwirtschaftlichen Nutzflächen verstärkt. Dies könnte zusammen mit Klimaänderungen und einer konservativen, unflexiblen Wirtschaftsweise zum Ende der Nok-Kultur beigetragen haben. Erst in nachchristlicher Zeit tauchen neue Nutzpflanzen, wie Ölpalme und das Getreide fonio, im Zusammenhang mit einer neuen Bevölkerung auf. Das Langfristvorhaben hat sein Ziel, die Nok-Kultur umfassend zu beschreiben, erreicht und Perspektiven für die Fortführung der Forschungen aufgezeigt. Einige Bereiche, wie die Gräber und deren Zusammenhang mit Terrakotta-Deponierungen, wurden wegen partieller Erhaltung und Seltenheit erst nach langsam wachsender Erfahrung entdeckt. Insbesondere hier, aber auch für das Projekt als Ganzes, ist der erfolgreiche Abschluss in erster Linie der langfristigen Förderung zu verdanken.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2014) Nok – African Sculpture in Archaeological Context. Africa Magna Verlag, Frankfurt/Main
Breunig, P. (Hrsg.)
- (2016) A chronology of the central Nigerian Nok Culture – 1500 BC to the beginning of the Common Era. J. Afr. Arch. 14 (3), 257–289
Franke, G.
(Siehe online unter https://doi.org/10.3213/2191-5784-10297) - (2016) An outline of recent studies on the Nigerian Nok Culture. J. Afr. Arch. 14 (3), 237–255
Breunig, P. & Rupp, N.
(Siehe online unter https://doi.org/10.3213/2191-5784-10298) - (2016) Nok early iron production in central Nigeria – new finds and features. J. Afr. Arch. 14 (3), 291–311
Junius, H.
(Siehe online unter https://doi.org/10.3213/2191-5784-10299) - (2016) The Nok terracotta sculptures of Pangwari. J. Afr. Arch. 14 (3), 313–329
Männel, T. & Breunig, P.
(Siehe online unter https://doi.org/10.3213/2191-5784-10300) - (2016) The palaeovegetation of Janruwa (Nigeria) and its implications for the decline of the Nok Culture. J. Afr. Arch. 14 (3), 331–353
Höhn, A. & Neumann, K.
(Siehe online unter https://doi.org/10.3213/2191-5784-10296) - (2017). Early West African iron smelting: the legacy of Taruga in light of recent Nok research. Afr. Arch. Rev. 34, 321–343
Fagg Rackham, A., Franke, G., Junius, H., Männel, T.M. & Beck, C.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s10437-017-9262-2) - (2020) Pits, pots and plants at Pangwari – Deciphering the nature of a Nok Culture site. Azania: Arch. Res. Afr. 55(2), 129–188
Franke, G., Höhn, A., Schmidt, A., Ozainne, S., Breunig, P. & Neumann, K.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1080/0067270X.2020.1757902) - (2021) Honey-collecting in prehistoric West Africa from 3500 years ago. Nature Comm. 12, 2227
Dunne, J., Höhn, A., Franke, G., Neumann, K., Breunig, P., Gillard, T., Walton-Doyle, C. & Evershed, R.P.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1038/s41467-021-22425-4) - (2022) Making the invisible visible: tracing the origins of plants in West African cuisine through archaeobotanical and organic residue analysis. Arch. Anthropol. Sci. 14:30
Dunne, J., Höhn, A., Neumann, K., Franke, G., Breunig, P., Champion, L., Gillard, T., Walter-Doyle, C. & Evershed, R.P.
(Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s12520-021-01476-0)