Endophyten und Herbivore von cyanogenem Bambus (Cathariostachys madagascariensis): Funktionelle Untersuchung eines natürlichen Systems auf Madagaskar
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und anderen Organismen in ökoloischen Netzwerken sind komplex. Zusätzlich zu defensiven und nutritive pflanzlichen Eigenschaften können endophytische Pilze die Nahrungsqualität einer Pflanze beinflussen. Obwohl erste Erkenntnisse zu landwirtschaftlichen Systemen vorliegen, sind solche Pflanze-Pilz-Tier Wechselwirkungen in natürlichen Systemen kaum verstanden und es ist weitgehend unbekannt wie sich abiotische Faktoren auf diese Interaktionen auswirken. Ziel des Projektes war die Untersuchung konzertierter Effekte pflanzlicher Eigenschaften und endophytischer Pilze auf Herbivore anhand eines natürlichen Systems auf Madagaskar: Cyanogenem Bambus und Bambuslemuren. Es konnte erstmalig auf quantitativer Basis gezeigt werden, dass verschiedene von Bambuslemuren als Nahrung genutzte Bambusarten unterschiedliche Mengen Cyanid einlagern. In Cathariostachys madagascariensis wurden die höchsten Cyanidkonzentrationen gemessen, gefolgt von C. capitata, Nastus elongatus und Cephalostachyum sp., wohingegen Bambusa madagascariensis acyanogen war. Der Gehalt löslichen Proteins als einem wichtigen, die nutritive Qualität einer Pflanze beeinflussendem Faktor, war in den verschiedenen Bambusarten ähnlich, wobei nur Cephalostachyum sp. eine gegenüber den anderen Arten signifikant erhöhte Proteinkonzentration zeigte. Phenolische Substanzen, eine Kohlenstoff basierte Verteidigung, zeigten keine signifikante Variabilität zwischen den verschiedenen Bambusarten. Die qualitative und quantitative Analyse von proteinogenen Aminosäuren (AS) ergab keine signifikanten Unterschiede mit Ausnahme von Methionin. Die Methioninkonzentration war am geringsten in C. madagascariensis, gefolgt von C. capitata und zeigte signifikant höherer Konzentrationen in den Arten N. elongatus und B. madagascariensis. Dieses Ergebnis ist von großer Bedeutung für die tatsächliche Toxizität von Cyanid in Bambus, da schwefelhaltige AS als Substrate fuer das Cyanid-entgiftende Enzym Rhodanase benötigt werden. Eine geringe Konzentration dieser AS erhöht somit die Toxizität von Cyanid. Die Art C. madagascariensis, welche in einer molekularen Phylogenie eine abgeleitete Stellung einnimmt, erscheint somit als Futterpflanze wenig attraktiv. Dennoch macht diese Bambusart über 95% der Nahrung des Breitschnauzen-Halbmakis (Prolemur simus) aus. Dieser extremste Spezialist unter den Bambuslemuren hat also die vermeintlich ungeeignetste Bambusart als Hauptfutterpflanze "gewählt" und ein evolutionäres Wettrüsten kann vermutet werden. Die Theorie sagt voraus, dass Spezialisten als evolutive Sackgasse zu verstehen sind. Dies konnte ich für das Bambus-Bambuslemuren-System widerlegen, da in einer molekularen Phylogenie P. simus eine basale Stellung zum weniger spezialisierten Hapalemur einnimmt. Es wird auch deutlich, dass nach einer Auflockerung der Spezialisierung verschiedene Nischen von Hapalemur besiedelt wurden und manche Arten der Gattung sogar auf andere Futterpflanzen ausweichen können. Hier ist der Generalist durch eine höhere Verfügbarkeit an Futterpflanzen im Vorteil gegenüber dem Spezialisten. Inwieweit endophytische Pilze in Bambus die Nahrungsqualität dieser Pflanze mitbeinflussen ist aufgrund der Ergebnisse dieses Projektes nicht abschließend zu beantworten. Fest steht, dass Bambus am Naturstandort in Madagaskar eine diverse Endophytengemeinschaft beherbergt. Weiterhin zeigten Bioassays mit Extrakten aus isolierten und kultivierten Endophyten und generalistischen (Spodoptera littoralis) sowie spezialisierten herbivoren Insekten (Mexikanischer Bohnenkäfer; Epilachna varivestis) eine stark verminderte relative Wachstumsrate der Insekten, wenn diese an mit Extrakten behandeltem Blattmaterial fraßen. Diese Ergebnisse deuten auf toxische Verbindungen in den Pilzextrakten hin. Wie molekulare Analysen gezeigt haben, gehörten alle isolierten Pilze zur Klasse Sordariomycetes und waren in allen drei Unterklassen (Hypocreomycetidae, Sordariomycetidae, Xylariomycetidae) repräsentiert. Interessanterweise sind gerade die Xylariomycetidae neben den Flechtenpilzen bekannt für eine Vielfalt an sekundären Inhaltsstoffen. Die Untersuchungen zur Ursache der Variabilität cyanogener Eigenschaften in Pflanzen und zu quantitative Effekten äußere Faktoren auf Cyanogenese wurden anhand der cyanogenen Modellpflanze Limabohne (Phaeolus lunatus) untersucht. Klonal vermehrte und aus Samen angezogene Pflanzen wurden für diesen Versuch unter Laborbedingungen jeweils drei Intensitäten von Trockenstress, Salzstress und Licht ausgesetzt. Es konnte gezeigt werden, dass (1) die funktionelle Analyse von Pflanzenantworten auf abiotische Faktoren die methodische Separierung genotypischer Variability and phänotypischer Plastizität erfordert, dass (2) verschiedene abiotische Parameter quantitativ den chemischen Phänotyp von Pflanzen beeinflussen und, dass (3) Veränderungen des chemischen Phänotyps starken Einfluss auf Herbivore haben können. Vor dem Hintergrund der in Bambus vorliegenden extremem Cyanidkonzentrationen, könnte eine weitere Erhöhung der Cyanogenese in Bambus leicht zu einer Erreichung toxischer Schwellenwerte führen – auch gegenüber spezialisierten Pflanzenfressern wie den Bambuslemuren.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2010) CO 2 mediated changes of plant traits and their effects on herbivores are determined by leaf age. Ecological Entomology 36:1-13
Ballhorn DJ, Schmitt I, Fankhauser JD, Katagiri F, Pfanz H
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(2010) Concerted effects of plant compounds and endophytic fungi on food quality of giant bamboo to bamboo lemurs. 95th ESA Annual Meeting, Pittsburgh, Pennsylvania, USA
Ballhorn DJ, Kautz S, Schmitt I
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(2010) Fungal endophytes and their secondary compounds in giant bamboo on Madagascar. Joint Meeting of the Mycological Society of America (MSA) and of the International Symposium on Fungal Endophytes of Grasses (ISFEG), Lexington, Kentucky, USA
Ballhorn DJ, Kautz S, Schmitt I
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(2010) How generalist and specialist herbivores respond to various cyanogenic plant features. Entomologia Experimentalis et Applicata 134: 245-259
Ballhorn DJ, Kautz S, Lieberei R
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(2011) Constraints of simultaneous resistance to a fungal pathogen and an insect herbivore in lima bean (Phaseolus lunatus L.). Journal of Chemical Ecology 37:141-144
Ballhorn DJ
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(2011) Genetic and environmental effects on plant defences against herbivores. Journal of Ecology 99: 313-326
Ballhorn DJ, Kautz S, Jensen M, Schmitt I, Heil M, Hegeman AD