Implizite Verträge unterschiedlicher Beschäftigtengruppen angesichts gewandelter Arbeitsvertragsformen - Reziprozität in Tauschbeziehungen aus Inhalts- und Prozessperspektive
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die auf dem Arbeitsmarkt zu beobachtende Entwicklung von vermehrt auftretenden flexiblen Beschäfligungsverhältnissen wurde zum Anlass genommen, die Auswirkungen auf die wechselseitigen Erwartungen und Verpflichtungen im Arbeitsverhältnis, die Gegenstand des impliziten Vertrags sind, zu analysieren. Der implizite Vertrag wurde aus Perspektive beider Vertragspartner in unterschiedlichen Beschäftigtengruppen erfasst. Gegenübergestellt wurden hoch qualifizierte Normalarbeitnehmer und ihre Arbeitgeber sowie hoch qualifizierte Arbeitskräfte in flexiblen Vertragsarrangements und ihre Auftraggeber. Insgesamt wurden Interviews mit 36 hoch qualifizierten Arbeitskräften und 18 Arbeit- bzw. Auftraggebern geführt und ausgewertet. Die Datenerhebung erfolgte mittels leitfadengestützter Interviews, die Datenauswertung auf Basis der qualitativen Inhaltsanalyse. Die Projektergebnisse zeigen, dass sich aus dem formalen Vertragsstatus nicht unmittelbar ein spezifischer psychologischer Vertrag ergibt. So lassen sich Teile eines angenommenen neuen psychologischen Vertrags durchaus bei Normalarbeitnehmern finden und ebenso sind Teile eines traditionellen psychologischen Vertrags in flexiblen Austauschbeziehungen anzutreffen. Anhand eines Extremtypenvergleichs lassen sich folgende Unterschiede festhalten: In Normalarbeitsverhältnissen werden von den Akteuren Mitunternehmertum, Qualifizierungs- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten sowie eine organisationale Verantwortung gleichermaßen betont. Beide Vertragsparteien in flexiblen Vertragsarrangements heben hingegen eine an gemeinsamen Werten orientierte Zusammenarbeit, interessante Arbeitsinhalte und interessante Kunden zur Eröffnung individueller Entwicklungs- und weiterer Beschäftigungsperspektiven als bedeutsam hervor. Insgesamt lassen sich die Ergebnisse des Abgleichs der unterschiedlichen Perspektiven der Befragten mit folgenden vier Punkten zusammenfassen: Erstens besteht ein wesentlicher Unterschied der Beschäftigtengruppen in den jeweiligen Tauschkontexten darin, dass der typische (Normal-)Arbeitnehmer sich in seinen Erwartungshaltungen stärker an der Organisation und der Führungskraft ausrichtet, die Arbeitskraft in flexiblen Vertragsarrangements dagegen einen stärkeren Selbstbezug und einen stärkeren Bezug zum Kundenunternehmen aufweist. Zweitens besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen den Arbeitgebern dieser Beschäftigtengruppen darin, dass im impliziten Vertrag vornehmlich die in dem jeweiligen Tauschkontext vorliegenden strukturellen Defizite auszugleichen versucht werden: Normalarbeitgeber erwarten vor allem Proaktivität, Unabhängigkeit und Mitunternehmertum innerhalb organisationaler Strukturen. Auftraggeber flexibler Arbeitskräfte erwarten hingegen eine Reduktion von Unsicherheit und Risiken über ein wertorientiertes Handeln wie bspw. Zuverlässigkeit, Vertrauen tmd Loyalität. Drittens zeigt der Abgleich der Perspektiven der Vertragspartner, dass sich in den Extremfallen die Vertragsinhalte in den jeweiligen Tauschkontexlen annähernd entsprechen. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse können reziproke Tauschbeziehungen - auch jenseits des Normalarbeitsverhältnisses - in flexiblen Beschäftigungsarrangements angenommen werden. Viertens verdeutlichen Mischtypen auf Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite, dass die Veränderungen der Arbeitswelt die impliziten Vertragsbeziehungen berühren und die eingebrachten Rationalitäten der Akteure moderierend auf die Ausgestaltung der impliziten Vertragsinhalte und entsprechend auf den Tauschprozess wirken.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2009): ,You scratch my back and I'll scratch yours'. Implizite Verträge von international tätigen Managem im Wandel? Herbsttagung der Sektion Arbeits- und Industriesoziologie der Deutschen Gesellschaft für Soziologie am 9. Oktober 2009 in Osnabrück
Wehling, P.
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(2009): Der flexible Arbeitsmarkt - Herausforderung, Risiko und Chance. Qualitative Veränderungen erfordern persönliche Kompetenzen. In: Dabrowski, M.; Giersch, C. (Hrsg.): Kirche - ein attraktiver und qualifizierender Arbeitgeber? Personalgewinnung und -entwicklung im kirchlichen Dienst. Münster: Dialogverlag, S. 7-26
Wilkens, U.
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(2009): DFG-Projekt: Implizite Verträge unterschiedlicher Beschäftigtengruppen angesichts gewandelter Arbeitsvertragsformen - Reziprozität in Tauschbeziehungen. 7. Jahrestagung des Arbeitskreises für Empirische Personal- und Organisationsforschung am 20./21. November 2009 in Bochum
Nermerich, D./Wehling, P.
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(2010): Die Prägung des Psychologischen Vertrags. 8. Jahrestagung des Arbeitskreises für Empirische Personal- und Organisationsforschung am 08./09. Oktober 2010 in Lüneburg
Nermerich, D./Wehling, P.
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(2010): Interdependence between People and Organization (Editorial Special Issue). In: Wilkens, U./Minssen, H. (Hrsg.): Special Issue Zeitschrift für Personalforschung — German Journal of Human Resource Research: Interdependence between People and Organization. München/Mering: Rainer Hampp Verlag, S. 101-107
Wilkens, U./Minssen, H.
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(2010): Special Issue Zeitschrift für Personalforschung - German Journal of Human Resource Research: Interdependence between People and Organization, München/Mering: Rainer Hampp Verlag
Wilkens, U./Minssen, H.
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(2010): Unfair and yet Stable? - Leadership as the Negotiation Process for Reciprocity. 26. EGOS Colloquium 2010, 28. Juni-03. Juli 2010 in Lissabon
Wehling, P./Teupen, S.
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(2011): "Love it, change it, or leave it" - Understanding Highly-Skilled Flexible Workers' Job Satisfaction from a Psychological Contract Perspective. In: Management Revue 22. München/Mering: Rainer Hampp Verlag, S. 65-83
Wilkens, U./Nermerich, D.
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(2011): Changing Expectations and Sustaining Bonds. Organizing the Work Relationship in Times of Non-standard Employment. 2. Eurociett/FlexWorkResearch Conference am 28.10.2011 in Leuven
Wehling, P./Teupen, S.
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(2011): Der Grundsatz der Selbstverantwortung in der verhaltenswissenschaftlichen Organisations- und Führungsforschung. In: v. Riesenhuber, K. (Hrsg.): Das Prinzip der Selbstverantwortung. Grundlagen und Bedeutung im heutigen Privatrecht. Tübingen: Mohr Siebeck Verlag, S. 119-134
Wilkens, U./Nermerich, D.
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(2011): Konsequenzen flexibler Beschäftigungsverhältnisse fur die Erbringung von Wissensarbeit - Eine Analyse der psychologischen Vertragsbeziehungen zwischen Wissensarbeitem und ihren Arbeitgebern. In: Spath, D. (Hrsg.): Zwischen strengen Prozessen und kreativem Spielraum. Hochschulgruppe Arbeits- und Betriebsorganisation e.V. (HAB), HAB-Forschungsbericht. Berlin: GITO, S. 373-398
Wilkens, U./Küpper, M./Ruiner, C.
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(2011): No Risk - No Fun? The Perception of Risk and Security in the Work Relationship. 10. Kongress der European Sociological Association „Social Relations in Turbulent Times", 07.-10. September 2011 in Genf
Wehling, P./Teupen, S.
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(2011): Psychologischer Vertrag und Anerkennung. Das Beispiel Expatriates. In: Zeitschrift für Personalforschung 25, S. 313-334
Minssen, H./Wehling, P.
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(2011): Reassembling Bonds between the Individual and the Organization? Organizing the Relationship between Qualified Employees and their Employer in Times of Non-Standard Employment. 27. EGOS Colloquium 2011, 06.-09. Juni 2011 in Göteborg
Wehling, P./Teupen, S.
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(2011): Trajectories in „boundaryless" careers: The Y-Model in the track record of highly-skilled flexible workers. 27. EGOS Colloquium 2011, 06.-09. Juni 2011 in Göteborg
Wilkens, U./Kahle, A.
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(2011): „Konsequenzen flexibler Beschäftigungsverhältnisse für die Erbringung von Wissensarbeit - Eine Analyse der psychologischen Vertragsbeziehungen zwischen Wissensarbeitern und ihren Arbeitgebern". HAB-Tagung „Wissensarbeit - zwischen strengen Prozessen und kreativem Spielraum", 08.10.2011, Stuttgart
Wilkens, U./Küpper, M./Ruiner, C.
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(2012): (Re-)Design of Flexibility Concepts for Knowledge-Intensive Organizations. 28. EGOS Colloquium 2012, 05.-07. Juli 2012 in Helsinki
Wilkens, U./Ruiner, C./Küpper, M.