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Dr. Wilhelm Harster und der Münchner Distanztäter-Prozess 1967. Eine Juristenkarriere im "Dritten Reich" und in der Bundesrebublik

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2009 bis 2013
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 119255518
 
Dr. Wilhelm Harsler wurde 1967 wegen Beihilfe zum Mord in 82 854 Fällen zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. In seinen Verantwortungsbereich als Befehlshaber der Sicherheilspolizei und des Sicherheitsdienstes (BdS) in den besetzten Niederlanden (1940-1943) fiel die Deportation des Großteils der holländischen Juden. Von den Alliierten an die Niederlande ausgeliefert, verurteilte ihn ein holländisches Sondergericht 1949 zu 12 Jahren Haft. 1955 vorzeitig in die Bundesrepublik entlassen, wurde Harster 1956 als Regierungsrat zur Wiederverwendung bei der Regierung von Oberbayern eingestellt. 1963 trat er unter dem Druck der Ermittlungsergebnisse der Münchner Staatsanwaltschaft in den vorzeitigen Ruhestand.Drei ineinandergreifende Fragekomplexe werden bearbeitet: 1. Harslers Nachkriegskarriere soll im Kontext der reintegrations- und amnestiepolitischen Weichenstellungen in der Gründungsphase der Bundesrepublik untersucht werden. Harslers Personalakte des Bayerischen Innenministeriums erlaubt profunde Einblicke in den innerministeriellen Entscheidungsfindungsprozess hinsichtlich seiner Wiedereinstellung in den Staatsdienst. Ebenso gewährt sie Aufschlüsse über die interministerielle Vorgehensweise im Zuge seines Dienststrafverfahrens in Folge der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsergebnisse.2. Der Münchner Prozess gegen den ehemaligen BdS, seinen „Judenreferenten“ Wilhelm Zopf sowie dessen Sachbearbeiterin Gertrud Slottke war bislang noch nicht Gegenstand einer Untersuchung. Als „Schreibtischtäterverfahren markiert er eine wichtige Etappe der deutschen Justizgeschichte mit zahlreichen Querverbindungen zu anderen NS-Strafprozessen, darunter auch zum Eichmann-Prozess in Jerusalem. Das Verfahren soll auf der Basis der umfangreichen Prozessakten sowie zahlreicher weiterer Dokumente des Bayerischen Justizministeriums im Kontext seiner vergangenheits-, justiz- und gesellschaftspolitischen Rahmenbedingungen und Wechselwirkungen untersucht werden. 3. Mit dem Polizei- und Verwaltungsjuristen Harster rückt der Vertreter einer mittleren bis höheren Funktionselite ins Blickfeld. Fine vergleichend angelegte, generationale Aspekte berücksichtigende Untersuchung wendet sieh zunächst seiner Sozialisation in Kaiserreich und Republik zu und untersucht schließlich seinen Werdegang von der politischen Polizei der Endphase der Republik über die Gestapo zum BdS in Holland und Italien. Unter Berücksichtigung seiner systematisch betriebenen SS- Karriere, seiner Handlungs- Spielräume und ihrer Ausgestaltung vor dem Hintergrund weltanschaulicher Antriebskräfte sind weiterführende Erkenntnisse für die NS-Täterforschung zu erwarten.Diese Forschungen stützen sich auf umfangreiches, von der Forschung bisher nicht ausgewertetes Aktenmaterial, u.a. die kompletten Akten der Staatsanwalt sowie die Aktensammlung des Bayerischen Justizministeriums hinsichtlich weiterer NSG-Verfahren vor dem Münchner Landgericht. Von besonderem Interesse ist hierbei die umfangreiche interministerielle Korrespondenz zu damals relevanten NSG-Verfahren. Das Bayerische Innenministerium gab die Personalakte Harster speziell für dieses Forschungsprojekt frei. Derzeit laufen Gespräche mit dem Ministerium mit dem Ziel, in weitere Personalakten dieser Zeit Einsicht nehmen zu können, um diese konkrete Personalentscheidung im Rahmen einer allgemeinen Personalpolitik verorten zu können. Überdies ist es gelungen, mit dem damaligen leitenden Staatsanwalt sehr aufschlussreiche Zeitzeugengespräche zu führen und zusätzliches Quellenmaterial aus dessen Privatbesitz zu erhalten.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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