Programmare il miracolo economico? Industriepolitik in Italien zwischen Boom und Krise (1958-1973)
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im Mittelpunkt des geförderten Projektes stand die staatliche Industriepolitik in Italien während der Nachkriegsprosperität bis zum Beginn der Strukturkrise der 1970er Jahre. Vor dem Hintergrund der sich verändernden Wachstumsdynamik der italienischen Wirtschaft und damit einhergehender Strukturprobleme hat das Projekt erstmals die wichtigsten Steuerungsmaßnahmen der staatlichen Industriepolitik in Italien durch umfangreiche Archivstudien und empirische Datenerhebungen herausgearbeitet. Ihre einzelnen Entwicklungsstadien und Planungsphasen wurden analysiert, ihre Folgen für Wachstum und Strukturwandel diskutiert und das politische Handeln der wichtigsten interessenpolitischen Akteure im Feld der zunehmend konflikthaften Wirtschaftsplanung bestimmt. Darüber hinaus wurden auch die europäischen Bezüge der italienischen Entwicklung herausgearbeitet, insbesondere die Entscheidung für eine Westbindung Italiens durch die Teilnahme am European Recovery Program 1947/48, die Folgen der EWG-Gründung 1957/58 sowie wechselseitige Lern- und Transferprozesse der Mitgliedsstaaten im wirtschaftspolitischen Bereich. Die Industriepolitik bildete seit Ende der 1940er Jahre den wichtigsten Bereich staatlicher Wirtschaftspolitik und bekam in Italien deutlich mehr Aufmerksamkeit als in anderen europäischen Ländern. Die ambitionierten industriepolitischen Reformen der verschiedenen Regierungen Italiens konzentrierten sich allerdings fast nur auf kurzfristige, staatlich regulierten Investitionslenkung im produktiven Anlagenbereich mit einer zunehmenden regionalen Verlagerung auf Süditalien. Die staatlichen Industrieholdings IRI, ENI und ENEL bildeten dabei das zentrale Instrument der staatlichen Wirtschaftsinterventionen zur Förderung der industriewirtschaftlichen Entwicklung. Die Analyse der wichtigsten Leistungsindikatoren der staatlichen Industriekonzerne gibt Hinweise auf die wachstums- und strukturpolitischen Effekte der staatlichen Industriepolitik nach 1945. Einerseits konnte die staatliche Industriepolitik durch die gezielte Maßnahmen den Aufbau einer heimischen Industrie erheblich beschleunigen. Andererseits aber konnten die strukturellen Defizite der italienischen Volkswirtschaft nur teilweise abgebaut werden. Der Schwerpunkt der Politik lag auf selektiven, vertikalen Wirtschaftsinterventionen. Man verzichtete auf horizontale Interventionen: Wettbewerbsbeschränkungen wurden nicht abgebaut, Forschung und Entwicklung nicht gefördert. Die italienische Industriepolitik hat daher erheblich zur industriellen Entwicklung des Landes beigetragen, allerdings langfristig eher hemmend auf Wirtschaftswachstum und industrielle Wettbewerbsfähigkeit gewirkt.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Industrial Policies in Europe in Historical Perspective, in: WWWforEurope Working Paper Series, Issue 15, July 2013, S. 1‐135
Christian Grabas und Alexander Nützenadel
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Industrial Policy in Europe after 1945. Wealth, Power and Economic Development in the Cold War, Basingstoke: Palgrave Macmillan (2014)
Christian Grabas und Alexander Nützenadel (Hg.)
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Introduction, in: Christian Grabas und Alexander Nützenadel (Hg.), Industrial Policy in Europe after 1945. Wealth, Power and Economic Development in the Cold War, Basingstoke: Palgrave Macmillan (2014), S. 1‐10
Christian Grabas und Alexander Nützenadel
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Planning the Economic Miracle? Industrial Policy in Italy between Boom and Crisis, in: Christian Grabas und Alexander Nützenadel (Hg.), Industrial Policy in Europe after 1945. Wealth, Power and Economic Development in the Cold War, Basingstoke: Palgrave Macmillan (2014), S. 134‐161
Christian Grabas