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Fehdegesellschaftliche Strukturen und Gewaltgemeinschaften in Polen-Litauen im 16. und 17. Jahrhundert

Fachliche Zuordnung Frühneuzeitliche Geschichte
Förderung Förderung von 2009 bis 2014
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 71062747
 
Polen-Litauen wird in der Forschung als mitteleuropäische Ständegesellschaft gefasst, wobei frühparlamentarische Mechanismen akzentuiert werden. Allerdings stellten Studien die Persistenz von Gewaltpraxen fest. Aus westeuropäischer Perspektive ist dies als „Fehdegesellschaft“ charakterisiert worden, der Begriff wird aber in osteuropäischen Historiographien nicht verwandt. Beantragt werden zwei sich ergänzende Arbeitsvorhaben: Das erste Vorhaben legt seinen Schwerpunkt auf die patrimonial organisierten Territorien der heutigen Ukraine (1550–1650), die 1569 in die Krone Polen überführt wurden. Hier fand eine institutionelle Anpassung an den ständischen Austrag statt, daneben bestanden Gewaltpraxen fort. Gefragt wird, wie Rituale von Eskalation und Deeskalation aussahen, wie Gewalt gegenüber dem Rechtszug legitimiert wurde und bis zu welchem Grad Gewaltgemeinschaften inkludiert oder exkludiert wurden. Schließlich stellt sich die Frage, auf welchen Wegen Gewaltpraxen ethnisch als „kosakische“ (ukrainische) oder „polnische“ Gewalt konnotiert wurden. Das zweite Arbeitsvorhaben widmet sich adlig-soldatischen Gewaltgemeinschaften in den Kriegen der „Sintflut“ (1648–1680er Jahre). Das Adelsaufgebot verwandelte sich in Kampfgemeinschaften, die aus dem Lande lebten und auf Gewaltausübung zurückgriffen. Angehörige dieser Gemeinschaften schlossen sich in den 1660er Jahren zu bündischen Organisationen zusammen und destabilisierten mit Soldforderungen und Bürgerkriegen den Reichsverband. Untersucht werden die Entscheidungsprozeduren in diesen Verbänden, in denen adlig-ständische Vorgehensweisen mit charismatischen Führerprinzipien und Gewaltmechanismen verschmolzen. Zusammen leisten beide Studien allgemein einen Beitrag zur Frage der Fortdauer und Einhegung von Gewalt in Mitteleuropa und definieren speziell das Verhältnis von Gewalt und Rechtsaustrag in Polen-Litauen neu.
DFG-Verfahren Forschungsgruppen
 
 

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