Moderne Männer. Krise, Modernität und Geschlecht in den Männerporträts von Otto Dix, Anton Räderscheidt und Christian Schad
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die wichtigsten „Überraschungen“ im Projektverlauf waren folgende: Die Erschließung des ursprünglich nicht angedachten Themenbereich der Haut, Schminke, Hautfarbe etc., die zur Folge hatte, dass des zunächst geplanten Bereich des Raums zeitlich nicht mehr bearbeitet werden konnte. Zudem hat sich wegen der schwierigen Quellenlage im Falle Räderscheidt für die Zeit um den Ersten Weltkrieg eine Fokussierung auf die Arbeiten von Dix und Schad im ersten Teil ergeben. Räderscheidts Arbeiten konnten hauptsächlich im dritten Abschnitt bearbeitet werden. Meine Ergebnisse reihen sich ein in die Beobachtungen Robert Connells und Wolfgang Schmales, für die die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg zwar für „alternative Männlichkeiten und selbstbewusste Weiblichkeiten förderlich war, die jedoch auf ein „Wiedereinsetzen männlicher Vorherrschaft“ (Connell) hinsteuerte. In Angesicht der Emanzipationsversuche der Frau wird innerhalb des neu-sachlichen Männerporträts versucht, Männlichkeit neu zu definieren, ohne jedoch an Terrain und Geltung im Verhältnis zur Frau einzubüßen. Christian Schad und Otto Dix entwickeln in ihren Männerporträts visuell heterogene Strategien, die es erlauben, mit der Krise der Männlichkeit während und nach dem Ersten Weltkrieg produktiv umzugehen. Schad, Dix und Räderscheidt entwerfen Männerbilder, die entsprechend der Neuen Sachlichkeit als konservativer Rückgriff und „männlicher Gestus“ eine „Neue Männlichkeit“ verkörpern, die jedoch auch eine Kritik am herkömmlichen Männlichkeitsideal – so hat die die Analyse der Arbeiten Räderscheidts ergeben – beinhalten kann. Die Künstler entwickeln in ihren Männerporträts Individualisierungs- und Resouveränisierungsstrategien, die z. B. vormals als weiblich gedachte Anteile als männliche Eigenschaften umdefinieren, damit subsumieren und dadurch das Bild des Mannes erneuern. Dies geschieht explizit vor der Folie einer sich emanzipierenden „Neuen Frau“, die, wie ich an der Darstellung des Gesichts und des Inkarnats gezeigt habe, im Gegensatz zum Mann tendenziell zum „Typ“ gemacht wird; der Mann jedoch wird individualisiert. Der „Neuen Frau“ wird ein modernisiertes Männlichkeitsbild entgegengestellt, das paradoxerweise keine fundamentale Änderung erfahren hat. Die Männerporträts der Neuen Sachlichkeit sind Teil einer „männlichen Moderne“, die auf ihre Destabilisierung und damit einhergehenden Formverlust insbesondere durch eine Arbeit am Geschlecht reagierte.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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„Neue Männlichkeit. Die Matrosenbilder von Otto Dix“, in: Kunstmuseum Stuttgart (Hg.), Das Auge der Welt. Otto Dix und die Neue Sachlichkeit, Stuttgart 2012, 48-61
Änne Söll