Wechselwirkungen sozialer Differenzierung, ökologischen und wirtschaftlichen Wandels am Beginn des Neolithikum. Der Fundort Körtik Tepe (Südosttürkei).
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Seit 2000 fanden am Körtik Tepe Rettungsgrabungen wegen des Ilısu Staudammbaus statt. Im Rahmen des DFG-Projektes konnten wir von 2009-2012 an diesen Grabungen teilnehmen. Wie an keiner anderen Fundstelle in der Region erlauben es die Befunde vom Körtik Tepe, die Wechselwirkungen sozialer, ökologischer und ökonomischer Prozesse während der Sesshaftwerdung in Südostanatolien zu studieren. Systematisch wurden alle Siedlungsbereiche archäobotanisch verprobt, 249 von über 500 Proben untersucht und fast 18.000 Pflanzenreste/Samen bestimmt. Körtik Tepe ist damit bislang die einzige Fundstelle in der Region, von der lokale Proxydaten vorliegen, um die ökologische Auswirkung des klimatischen Wandels am Übergang von der Jüngeren Dryas zum frühen Holozän zu rekonstruieren. Bei den Holzkohlen/Samen zeichnet sich eine reiche Vegetation ab, die während der Jüngeren Dryas von der Flussvegetation in Siedlungsnähe dominiert wird, während im Hinterland Steppenvegetation vorherrscht. Im frühen Holozän zeigt sich in beiden Proxies eine Wiederbewaldung im Hinterland: Eichen, Pistazien, Mandel und Feigen sowie verschiedene Baum- und Straucharten. Diese hoch diversifizierte Umwelt hat es den Bewohnern vom Körtik Tepe bereits während der jüngeren Dryas erlaubt, sich dauerhaft am Zusammenfluss von Batman und Tigris niederzulassen. Geringe Variationen in den Strontium- und Sauerstoffisotopenwerten am Körtik Tepe belegen, dass die Bevölkerung nur relativ lokal mobil gewesen sein kann, berücksichtigt man die heterogene geologische Situation in der Region. Dies unterstreichen Vergleichsproben aus entfernteren geologischen Regionen. Zusammenfassend können die Strontium- und Sauerstoffverhältnisse – stratigraphisch und archäologisch gestützt - als Indiz für eine ortstreue Population mit eingeschränkter Mobilität oder sogar Sesshaftigkeit gewertet werden. Die geoelektrischen und stratigraphischen Untersuchungen erlauben, die Genese des Tells zu verstehen. Anhand von 36 14C-Daten konnten die archäologischen Schichten klar in die Jüngere Dryas und das frühe Holozän von 10200 cal BCE-9200 cal BCE datiert werden. Spätestens mit Beginn des Holozän differenziert sich die Beigabensitte, wobei die Gründe für diese Differenzierung archäologisch bislang nicht festzumachen sind. Bei der Ernährung lassen sich kaum sozial bedingte Besonderheiten erkennen, auch wenn es leichte altersund geschlechtsspezifische Unterschiede gibt. Das Ernährungsprofil der Gemeinschaft vom Körtik Tepe ordnet sich gut in die vorliegenden Daten aus dem Nahen Osten im frühen Holozän ein (Nevalı Çori, Çatalhöyük, Shanidar Cave). Nach den menschlichen δ15N- Isotopensignaturen vom Körtik Tepe liegt der überwiegende Teil der Daten im Wertebereich der bäuerlichen Gemeinschaft aus Çatalhöyük. Im Unterschied zu diesen frühen Bauern, basiert der vergleichsweise hohe Konsum tierischer Proteine der Bewohner vom Körtik Tepe jedoch noch auf der traditionellen Subsistenz der Jäger und Sammler. Dies zeigen archäozoologische Bestimmungen, wonach die konsumierten tierischen Proteine ausschließlich von Wildtieren und Fischen stammten. Mit dem Übergang zum Holozän lassen sich Veränderungen in der Ernährung nachzeichnen. Diese sind aber vorwiegend auf ökologischklimatische Veränderungen zurückzuführen, wobei auch anthropogen bedingte Effekte zu beobachten sind. Die Entdeckung einer unerwartet starken und frühen Ortstreue, vermutlich sogar ganzjähriger Präsenz, bereits während der Jüngeren Dryas und einer sozialen Differenzierung dieser reichen Jäger und Sammlergemeinschaft zwingt, bisherige Theorien zur Neolithisierung in Südostanatolien grundlegend zu überdenken. Radiokarbon-Daten: http://www.exoriente.org/associated_projects/ppnd_site.php?s=81 Stratigraphische Daten/Zeichungen/Fotos zur stratigraphischen Dokumentation: https://www.vorderasien.uni-freiburg.de/forschung/projekte-der-mitarbeiterinnen/dr.-marionbenz/koertik-tepe
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Körtik Tepe 2010 Kazısı. Kazı Sonuçları Toplantısı 33(1), 2011 (2012)
Özkaya V, Coşkun A, Benz M, Erdal YS, Atici L, Şahin FS
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Methodological implications of new radiocarbon dates from the early Holocene site of Körtik Tepe, Southeast Anatolia. Radiocarbon 54, 3-4, 2012, 291-304
Benz, M., Coşkun, A., Hajdas, I., Deckers, K., Riehl, S., Alt, K.W., Weninger, B., Özkaya, V.
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New Results on the Younger Dryas Occupation at Körtik Tepe. Neo-Lithics 2, 2012, 25-32
Coşkun, A., Benz, M., Rössner, C., Deckers, K., Riehl, S., Alt, K.W., Özkaya, V.
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Plant use and vegetation changes at Körtik Tepe from the Epipalaeolithic to the Early Holocene (SE-Turkey). Thessaloniki, Juni 2013: International Work Group for Palaeoethnobotany
Rößner C., Deckers K., Riehl S., Benz M.
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Plant use in three Pre-Pottery Neolithic sites of the northern and eastern Fertile Crescent: a preliminary report. Vegetation History and Archaeobotany 2012
Riehl, S., Benz, M., Conard, N.J., Darabi, H., Deckers, K., Fazeli Nashli, H., Zeidi-Kulehparcheh
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Understanding Prehistoric Landscapes – Understanding Early Sedentism. Körtik Tepe in Southeastern Turkey as a Key-Site. Bern, Nov. 2012: HiRes-Workshop, Univ. Bern
Pollmann T., Vashev B., Pustovoytov K., Marinova-Wolff E., Benz M., Çoskun A., Özkaya V.
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First evidence of an Epipalaeolithic hunter-fisher-gatherer settlement at Körtik Tepe. Arkeometri Sonuçları Toplantısı 34(1), 2012 (2013), 65-78
Benz, M. Çoskun, A., Rössner, C., Deckers, K., Riehl, S., Alt, KW, and Özkaya V.
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Multilayer floors in the early Holocene houses at Körtik Tepe, Turkey – an example from House Y98. Neo-Lithics 14/2, 2014, 13-22
Schreiber F., Benz M., Alt K.W., Özkaya V.
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Prelude to Village Life. Environmental data and building traditions of the Epipalaeolithic settlement at Körtik Tepe, Southeast Turkey.
Paléorient, Vol. 41.2. 2015, pp. 9-30.
Benz M., Deckers K., Rößner C., Alexandrovskiy A., Pustovoytov K., Scheeres M., Fecher M., Coşkun A., Riehl S., Alt K.W., Özkaya V.
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Results of Stable Isotopes from Körtik Tepe Southeastern Turkey. Arkeometri Sonuçlar Toplantısı, Vol. 31. 2015 (2016), pp. 231-252.
Benz, M., Fecher, M., Scheeres, M., Alt, K.W., Erdal, Y.S., Şahin, F.S., Özkaya, V.
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The equality of inequality. Social differentiation among the hunter-fisher-gatherer community of Körtik Tepe, Southeastern Turkey. In: H. Meller, H.P. Hahn, and R. Rich (eds.), Rich and Poor – Competing for Resources in Prehistory. Tagungen des Landesmuseums für Vorgeschichte Halle 14/1. 2016, pp. 147-164.
Benz, M., Erdal, Y.S., Şahin, F.S., Özkaya, V., Alt, K.W.
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A burnt pit house, large scale roasting, and enigmatic Epipaleolithic structures at Körtik Tepe, Southeastern Turkey. Neo-Lithics, Vol. 1/2017, pp. 3-12.
Benz, M., Willmy, A.A.J., Doğan, F., Şahin, F.S., Özkaya, V.
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Anthropogenic sediments and soils of tells of the Balkans and Anatolia: Composition, genesis, and relationships with the history of landscape and human occupation. Eurasian Soil Science, Vol. 50. 2017, Issue 4, pp 373–386.
Sedov, S.N., Alexandrovsky, A., Benz, M., Balabina, V.I., Mishina, T.N., Shishkov, V.A., Özkaya, V.
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Subsistence strategies and vegetation development at Aceramic Neolithic Körtik Tepe, southeastern Anatolia, Turkey.
Vegetation History and Archaeobotany, 2017, pp. 1–15.
Rössner, C., Deckers, K., Benz, M., Özkaya, V., Riehl, S.