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Formen des Krieges, politische Herrschaft und die Entgrenzung der Gewalt. Zur Soziologie des Kolonialkrieges am Beispiel der Kriege in Deutsch-Südwestafrika, 1904-1908

Antragsteller Professor Dr. Trutz von Trotha (†)
Fachliche Zuordnung Politikwissenschaft
Förderung Förderung von 2009 bis 2013
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 146909569
 
Der Aufstieg des ‚Kleinen Krieges’ (Ch. E. Callwell) hat zu einer kontroversen Diskussion über den Charakter dieses Typus von Krieges und über seinen Ort in der Geschichte des Krieges geführt. Das geplante Forschungsprojekt soll am Beispiel einer Untersuchung der Kolonialkriege im einstigen Deutsch-Südwestafrika, erstens, einen Beitrag zu einer Typologie des Krieges und zu der des ‚Kleinen Krieges’ im besonderen leisten, für den inzwischen eine Vielzahl von Begriffen angeboten werden, und der nicht im Singular, sondern nur im Plural, im Sinne von Typen des ‚Kleinen Krieges’ bestimmt werden kann. Ausgangspunkt für den Beitrag zu einer solchen Typologie der Kleinen Kriege ist, dass die Kriege in Deutsch-Südwestafrika der Jahre 1904-1908 ‚Pazifizierungskriege’ waren, die aus peripherieorientierter Sicht als Interaktionen zwischen kolonialstaatsbildenden Eroberern und indigenen Akteure, die eigene Strategien entwickeln, mit den konkurrierenden Ansprüchen umzugehen, zu untersuchen sind. Die hier behandelten Beispiele bestanden, zum einen, aus Kriegen einerseits der Herero, andererseits der Nama gegen die deutschen Eroberer und, zum anderen, aus dem Genozid an Herero und Nama. Zweitens soll das Forschungsprojekt die Zusammenhänge zwischen Kriegstypen und politischer Herrschaft herausarbeiten, indem es die Kriegführung von Herero, Nama und Deutschen im Kontext ihrer politischen Ordnung und Kriegskulturen (Viehhalter-Häuptlingsgesellschaft, nichttraditionale charismatische Gemeinschaften, ‚koloniale Gesellschaft’ und ‚Mutterland’) betrachtet. Analytischer Brennpunkt der Kriegskulturen ist der ‚kriegerische Horizont’ einer Gesellschaft, wie wir in Abwandlung eines Begriffs von H. H. Turney-High (1971) sagen wollen. Im Anschluss an die Clausewitz-Forschung und die sozialwissenschaftliche Gewaltforschung sollen insbesondere die Auswirkungen der kriegerischen Auseinandersetzungen für den Fortgang der Kriege und auf die kriegführenden Parteien, die unterschiedlichen politischen und soziokulturellen Ordnungen mit unterschiedlichen kriegerischen Horizonten angehören, untersucht werden. Schließlich soll das Projekt den Entgrenzungsprozess der Gewalt untersuchen, der im Genozid an Herero und Nama endet. Entscheidend für die Rekonstruktion dieser Entgrenzung der Gewalt sind die spezifischen Bedingungen dieses Typs von Pazifizierungskriegen, welche anhand des ‚kriegerischen Horizontes’ thematisch werden. Die Annahme zu diesem Entgrenzungsprozess ist, dass er anders, als in dem größeren Teil der einschlägigen Literatur zum Genozid in Deutsch-Südwestafrika angenommen wird, deutlich stärker von der Gewaltdynamik des ‚genozidalen Pazifizierungskrieges’ geprägt ist.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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