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Finanzierungsstrategien urbaner Marginalgruppen und Potentiale der Mikrofinanzierung in Afrika südlich der Sahara. Fokus: (negative und positive) Wirkungen von und auf Sozialkapital Perspektive: Von Mikrofinanzgruppen ausgeschlossene Personen

Fachliche Zuordnung Humangeographie
Förderung Förderung von 2010 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 148563173
 
Erstellungsjahr 2017

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Kredite via Sozialkapital spielen als Teil der Lebenshaltungsstrategie der Bevölkerung in Städten südlich der Sahara eine wichtige Rolle. Finanzkapital-Defizite oder zumindest mangelnde Liquidität zeigt sich beispielsweise beim „Kauf auf Pump“, der im informellen Bereich in Dar es Salam weit verbreitet ist. Inzwischen gibt es neben informellen Kreditangeboten zunehmend formelle Finanzdienstleistungen in vielen urbanen Regionen südlich der Sahara. Trotz räumlicher Erreichbarkeit unterschiedlicher Mikrofinanzangebote gibt es Bevölkerungsteile, die diese Finanzprodukte nicht nachfragen. Warum bleibt die Wirkung der Mikrofinanzierung hier hinter ihrem Potenzial zurück? Für Tansania, wie auch für weitere afrikanische Länder, liegen Zensusdaten zur Spartätigkeit vor. Mehrere Fragen darin richten sich explizit an die genutzten Spar- und Kreditprodukte. Gleichzeitig wird die Zahl der ausgeschlossenen Personen („Exkludierte“) unterschätzt, da schon eine Mitgliedschaft in einer informellen Gruppe als Finanzmarkt-Zugang interpretiert wird („informell Inkludierte“). Gerade in Zeiten mobiler Kontoservices („M-Pesa) sind diese Statistiken wenig aussagekräftig und eine Untersuchung notwendig, die ihre Perspektive auf diejenigen Bevölkerungsteile richtet, die weder einer formellen noch einer semiformellen Kreditgruppe zugehören. Durch diese „Außenseiter“-Perspektive kann die Erwartung und Wirkung verschiedener Finanzierungsmechanismen auf Sozialkapital und Fremdwahrnehmung analysiert werden und Empfehlungen zu Reduzierung der Zugangshürden abgeleitet werden. Trotz unterschiedlicher Mikrofinanzangebote gibt es weiterhin ausgeschlossene Personen, die aufgrund von Zugangshürden oder verschiedenen Erwartungen keine Mitglieder in Spar- und Kreditgruppen sind (oder sein wollen). Dafür kann es ökonomische, soziale, persönliche sowie räumliche Gründe geben. In der lokal begrenzten Untersuchung konnte konkret erfragt werden, warum welche Angebote nicht genutzt werden bzw. bestimmte informelle Angebote bevorzugt werden. Der Untersuchungsraum ist daher so gewählt, dass die vielfältigen formellen, semi-formellen und informellen Finanzinstitutionen vor Ort in Erfahrung gebracht werden konnten. Zudem wurde die Befragung durch den Einsatz von Satellitenbildern des Stadtteils in südlichen Dar es Salam gestützt und konkret nach Bekannten in Spar- und Kreditgruppen gefragt. Fehlendes Sozial- und Humankapital als Zugangshürde für potenzielle Kleinkreditkunden zeigt sich u.a. insbesondere in zwei Bereichen: Exkludierte verfügen einerseits über unzureichendes Wissen über Mikrofinanzinstitutionen in ihrer Nähe. Während einige Interviewte mehrere Nachbarn konkret benennen konnten, die sie zu Kreditoptionen befragen könnten, weil diese in einer (in)formellen Gruppen sind, wussten Exkludierte weniger über ihr Umfeld Bescheid. Selbst Spar- und Kreditgruppen mit Treffen in unmittelbarer Nähe waren teilweise unbekannt. Andererseits unternehmen Exkludierte selbst wenig, um ihre Situation zu ändern. Die Initiative zum Gruppeneintritt geht meist von Einladungen aus. Fehlendes Sozialkapital zu Personen in Spar- und Kreditgruppen stellt eine Hürde für den Informationsfluss sowie für Anfragen an das Finanz-Netzwerk dar. Nicht-Mitgliedschaft und Nicht-mehr-Mitgliedschaft in Spar-und-Kredit-Gruppen ist zudem begründet in negativen Erlebnissen und Erzählungen. Die Nicht-Mitgliedschaft führt zudem dazu, dass Informationen über neue Mikrofinanz-Produkte exkludierte Personen nicht erreichen. Nähe und Verbreitung erreichen nicht alle Bevölkerungsteile. Marketing im Mikrofinanzsektor sollte daher nicht nur (im Schneeballprinzip) auf bestehenden Netzwerken aufbauen, sondern offen auf Nicht-Mitglieder zugehen, um das Potenzial auszuweiten. In der vorausgehenden qualitativen Studie wurden Mitglieder in unterschiedlichen Mikrofinanzinstitutionen befragt. Dabei zeigte sich, dass einige die Mitgliedschaft aktuell nicht für eine Kreditaufnahme aufrechterhalten, sondern um an Informationen über neue Mikrofinanz- und Investitionsoptionen zu gelangen. Sozialkapital verstärkt auf diese Weise Human- und Finanzkapital, während von Spar- und Kreditgruppen exkludierten Personen diese Möglichkeiten nicht haben. In Tansania fehlt zudem eine zentrale (beispielsweise digitale) Plattform mittels der potenzielle Klienten sich Sozialkapital-unabhängig über Mikrofinanzprodukte und -organisationen informieren können. Viele Finanzierungsmechanismen sind auch im urbanen sozial gebunden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2008): Microfinance of housing in African cities. In: Trialog 99. 4/2008. S. 30-33
    Lohnert, Beate
  • (2012): Mikrokredite als Wundermittel für die Millennium Development Goals? In: Geographische Rundschau 11/2012. S. 28-34
    Koch, C. M. / Rudic, C.
  • (2012): Millennium-Entwicklungsziele. Wunsch und Wirklichkeit. In: Geographische Rundschau 11/2012. S. 4-11
    Lohnert, Beate
  • (2015): Adjournments of intra‐urban mobilities in Dar es Salaam. Maintaining social and spatial ties in African multi‐local action settings. In: Stichproben. Wiener Zeitschrift für kritische Afrikastudien. 28/2015
    Koch, Christoph / Rudic, Christiane
  • (2015): Strategien zur Wohnraumversorgung: Sozialer Wohnungsbau in Cape Town. In: Praxis Geographie. 04/15. 38-41
    Lohnert, Beate / Obermaier, Gabi
  • (2016): Housing finance strategies of informal settlement dwellers - factors of influence and impacts of planned interventions in Dar es Salaam. LIT. Berlin
    Rudic, Christiane
  • (2017): Aktuelle Wachstumsdynamiken in Ostafrika: Ist nachhaltiges Wachstum möglich? In: Eberth (Hrsg. 2017): Ostafrika. WBG. 104-121
    Lohnert, Beate
 
 

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