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Der Erwerb körpereigenen Sequenzwissens beim Training bimanueller Handlungsfolgen

Fachliche Zuordnung Allgemeine, Kognitive und Mathematische Psychologie
Förderung Förderung von 2005 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 15293640
 
Erstellungsjahr 2011

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die im Projektzeitraum erarbeiteten Befunde stützen insgesamt die Annahme des Erwerbs effektorspezifischer Sequenzrepräsentationen, die nur bedingt auf andere Effektoren übertragen werden können. Es wurden eine Reihe von potentiellen Faktoren untersucht, die bei der Herausbildung dieses Wissens sowohl bei bimanuellen als auch bei unimanuellen Handlungssequenzen eine Rolle spielen können. So scheint der Anteil des bei bimanuellen Sequenzen beteiligten motorischen Lernens von den Stimuluseigenschaften abzuhängen. Werden Bewegungen beider Händen durch einen gemeinsamen Reiz getriggert, ist zu erwarten, dass der Anteil des handspezifischen und nicht transferrierbaren Wissens steigt. Sind beide Effektoren mit distinkten Reizen / Effekten assoziiert, wird zwar handspezifisches Wissen erworben, das aber auf den anderen Effektor übertragbar ist. Wenn bei bimanuell auszuführenden Sequenzen eine feste zu lernende (Teil)sequenz nur von einer Hand auszuführen ist, wird das Erlernen der Sequenz erleichtert. Ob schließlich handspezifisches Wissen bei alternierenden Reaktionen beider Hände erworben wird, scheint davon unabhängig zu sein, inwieweit die Bewegungssequenzen beider Effektoren korreliert sind. Je abhängiger beide Abfolgen sind, desto grösser scheint zwar die Wahrscheinlichkeit zu sein, dass handunabhängiges Wissen erworben wird, handspezifisches Wissen tritt aber offenbar selbst bei abhängigen Folgen auf. Ebenso erweisen sich der Übungsgrad sowie die Art des Lernkontextes (hier ob die Übung der einen Hand durch die Übung der anderen Hand unterbrochen wurde oder nicht) zwar als wichtig für die Herausbildung effektorunspezifischen Wissens, sie scheinen aber effektorspezifisches Lernen nicht wesentlich zu beeinflussen. Bei unimanuellen Aufgaben zeigte sich, dass sich die Lateralität des Effektors modulierend auf den Erwerb effektorspezifischen Wissens auswirkt. So scheint die linke Hand in einem verstärkten Grad für das effektorspezifische Lernen sensitiv zu sein, während das Lernen mit der rechten Hand in einem eher effektorunspezifischen Format abläuft. Weiterhin scheinen die Merkmale der Sequenz einen wichtigen Einfluss auf die Natur der Repräsentation zu haben, die bei sequentiellen sensomotorischen Aufgaben erworben wird. Horizontale Regularitäten visueller Reize scheinen perzeptuelles Lernen zu begünstigen, während vertikale Regularitäten motorisches Lernen zu fördern scheinen. Einfach strukturierbare Sequenzen, die durch saliente Bewegungsmuster (relationale Muster) gekennzeichnet sind, erleichtern motorisches Lernen ebenfalls. Ein bewusstes Fokussieren des Lernens einer Effektorsequenz ist dagegen eher von Nachteil oder zumindest nicht förderlich für den Erwerb motorischen Wissens. Schließlich scheint auch die Länge einer geübten Bewegungssequenz einen Einfluss darauf zu haben, inwieweit „motorisch“ gelernt wird. Relativ kurze Sequenzen werden offensichtlich in einem stärkeren Ausmaß als Bewegungsfolgen kodiert als längere Sequenzen, die bevorzugt in einem visuell-räumlichen und vom Effektor unabhängigen Koordinatensystem repräsentiert werden. Diese skizzierten Schlussfolgerungen sind als vorläufig zu betrachten und ergeben bei weitem noch kein einheitliches und konsistentes Bild. Insgesamt spiegeln sie den aktuellen Stand der Forschung in einem Bereich wieder, in dem einige grundsätzliche Fragen noch nicht abschließend geklärt sind und deshalb aktuell verstärkt Aufmerksamkeit finden. Einer der Hauptfaktoren, die die Untersuchung und die Eingrenzung motorischen Lernens erschweren, bezieht sich auf die Vielschichtigkeit und die Dynamik kognitiver Mechanismen, die bei sequenziellen Aufgaben beteiligt sind. So besteht eine weitgehende Übereinstimmung darüber, dass sequenzielle Regularitäten auf verschiedenen Ebenen der sensorischen wie auch der motorischen Systeme gelernt werden, und dass die Ausprägung der beteiligten Lernprozesse wesentlich durch Variablen des aktuellen Aufgabenkontextes bestimmt wird. Die weitere Untersuchung effektorspezifischen Lernens erfordert demzufolge eine stärkere Berücksichtigung des Lernkontextes sowie der Beteiligung anderer Lernmechanismen. Die Annahme unterschiedlicher Gewichtungen einzelner Lernformen im Sinne einer Anpassung an aktuell gegebene Bedingungen scheint uns hier vielversprechend zu sein. Darüber hinaus kann eine stärkere Berücksichtigung möglicher Interaktionen zwischen verschiedenen Variablen, wie z.B. zwischen dem Übungsgrad und der Sequenzkomplexität, dazu beitragen, die berichteten Befunde besser zu integrieren. Neben diesen Gesichtspunkten, die eher konzeptionelle Aspekte betreffen, gibt es eine Reihe von methodischen und theoretischen Inhalten, die bisher unzureichend ausgearbeitet wurden. So lässt sich noch nicht einmal präzise bestimmen, welche Informationen effektorspezifisches Sequenzwissen genau einschließt. Zwar wird der Begriff „effektorspezifisches Lernen“ oft als Synonym für „motorisches Lernen“ verwendet, doch die eingesetzten Paradigmen erlauben keine konkrete Aussage darüber, „wie motorisch“ das erworbene Wissen tatsächlich ist (wie erwähnt, kann effektorspezifisches Lernen z.B. auch die sensorische Ebene betreffen). Darüber hinaus ist weiter zu hinterfragen, inwieweit mit der Methode parallelen und spiegelbildlichen intermanuellen Transfers verbindliche Aussagen über „motorische“ oder „motoriknahe“ Lernprozesse gewonnen werden können. Diese Ansatzpunkte wurden von uns in noch nicht abgeschlossenen Arbeiten aufgegriffen und wir hoffen, mit weiteren Experimenten zu einem noch besseren Verständnis des Phänomens effektorspezifischen Lernens beitragen zu können.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2008). Effector-related sequence learning in a bimanualbisequential serial reaction time task. Psychological Research, 72, 138-154
    Berner, M., & Hoffmann, J.
  • (2009). Acquisition of Effector-Specific and Effector- Independent Components of Sequencing Skill. Journal of Motor Behavior, 41, 30-44
    Berner, M., & Hoffmann, J.
  • (2009). Action sequences within and across hands: Evidence for hand-related sequence learning. Quarterly Journal of Experimental Psychology, 62, 1507-1515
    Berner, M., & Hoffmann, J.
  • (2009). Integrated and Independent Learning of Hand-Related Constituent Sequences. Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory, and Cognition, 35, 890-904
    Berner, M., & Hoffmann, J.
  • (2010). Asymmetrical intermanual transfer of learning in a sensorimotor task. Experimental Brain Research, 202, 927-34
    Kirsch, W. & Hoffmann, J.
  • (2010). RT patterns and chunks in SRT tasks: a reply to Jiménez (2008). Psychological Research, 74, 352-8
    Kirsch, W., Sebald, A. & Hoffmann, J.
 
 

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