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Rekonstruktion der jüngeren Klima- und Landschaftsentwicklung in sensiblen südosteuropäischen Grenzräumen am Beispiel des Piringebirges in Bulgarien

Fachliche Zuordnung Physische Geographie
Förderung Förderung von 2005 bis 2010
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 15520394
 
Erstellungsjahr 2010

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Zur geoökologischen Charakterisierung des nördlichen Piringebirges in Südwest-Bulgarien konnten mittels moderner Untersuchungsmethoden die Grundlagen erheblich erweitert werden. Zahlreiche Daten wurden gesammelt, erzeugt, analysiert und bewertet. Es wurde ein eigenes Umweltmonitoring in der Region etabliert, das insbesondere geländeklimatische Parameter, Mikrogletscher, die Vegetation der alpinen Waldgrenze, Böden und Gewässergüte beinhaltet. Derartige Beobachtungen in der Natur stellen eine wichtige Entscheidungsgrundlage für Managementmaßnahmen zur Landschaftsentwicklung dar. In einem neuartigen Archiv- und Methodenverbund aus Jahrringanalysen von Bäumen des Waldgrenzökotons, chemisch-physikalischen Untersuchungen an Firn- und Eisschichten in Mikrogletschern sowie deren Umfeld und Analysen von Klimadatenreihen wurden im Piringebirge verschiedene paläo-geoökologische Interpretations- und Verknüpfungsansätze angewandt und weiterentwickelt, denn trotz der großen Zahl hochgelegener Bergregionen auf der Balkanhalbinsel weiß man relativ wenig über die Waldgrenzen, die waldbildenden Baumarten und die Umweltfaktoren dieser Ökotone. Die glaziologischen, pedologischen und dendrologischen Untersuchungen wurden mit einem vorwiegenden Klimabezug, vor allem für historische Zeiten, durchgeführt. Am Beispiel des Piringebirges konnte gezeigt werden, dass die holozäne Landschaftsgeschichte der Hochlagen anhand von Pollenprofilen der Seesedimente und Moore in Südwest-Bulgarien gut untersucht ist. Die Ergebnisse belegen eine relative klimatische Stabilität über mehr als 10000 Jahre, jedoch auch deutliche Änderungen im Baumbestand der Waldgrenze infolge Klimamodifizierungen und vegetationshistorischer Entwicklungen. Im Subatlantikum und im frühen Mittelalter haben in SW- Bulgarien optimale Bedingungen für Vegetations- und Bodenentwicklung in Höhenlagen geherrscht, die heute deutlich über der Waldgrenze liegen. Auffällig ist die Synchronität mit Blütezeiten gesellschaftlicher Entwicklung. Klimaverschlechterungen traten im Subboreal und während der „Kleinen Eiszeit“ auf, Zeiten, in denen in Bulgarien die kulturhistorische Entwicklung stagnierte. Die Mikrogletscher der Untersuchungsregion stellen (wie in mehreren Publikationen gezeigt werden konnte) ausgezeichnete Demonstrationsobjekte zur Visualisierung des Klimawandels dar. Die Jahrringchronologien der untersuchten Panzerkiefern (Pinus heldreichii) im Pirin reichen bis zu 722 Jahren zurück. Sie wurden den Klimadatenreihen gegenübergestellt. Aufbauend auf signifikanten Beziehungen zwischen Wachstum und einzelnen Klimaparametern wurde das neuzeitliche Klima rekonstruiert. Neben der Jahrringbreite können die Spätholzdichte und stabile Isotope des Kohlenund Sauerstoffs (δC, δO) als Indikatoren herangezogen werden. Während die maximale Spätholzdichte in erster Linie das Temperatursignal (August) an der oberen Waldgrenze nachzeichnet, sind die Jahrringbreiten negativ mit den Sommertemperaturen und positiv mit dem Niederschlag im Juli korreliert. Diese Zusammenhänge deuten darauf hin, dass das Wachstum der Panzerkiefer im Nordpirin stärker feuchte- als temperaturlimitiert ist. Klima und Witterung unterlagen im globalen Kontext während der letzten Dekaden signifikanten Veränderungen. Für Gebirgsregionen des Balkans, speziell für die Rila-Pirinregion, wurden neben saisonal gestiegenen Temperaturen längere Vegetationsperioden und kürzere, wärmere und schneeärmere Winter beobachtet. Zudem kam es zu Verschiebungen der innerjährlichen Variabilität der Niederschläge. Tendenziell ist auch das Schnee-Regen-Verhältnis rückläufig. Von den Änderungen der klimatischen Schwellenwerte sind insbesondere die Waldgrenzökotone betroffen. Beispielsweise dehnt sich gegenwärtig das Vorkommen der Bergkiefer (Pinus mugo) vertikal aus. Für Bulgarien konnten diesbezügliche Klima-Zeitreihen seit den 1930er Jahren ausgewertet werden, womit ein Beitrag zur beobachtungsgestützten, regionalen Klimatologie und zur regionalen Ausprägung des globalen Klimawandels geleistet wurde. Der Klimawandel hat auch sozioökonomische Folgen. Hierzu zählen beispielsweise die Schneesicherheit in den bulgarischen Skigebieten und der Wasserbedarf im gegenwärtig boomenden Skiort Bansko am Fuße des Nordpirins. Außerdem weisen die südwestbulgarischen Gebirge in ihrer Funktion als „Wasserturm“ für das Umland sogar eine Fernwirkung bis zu den Talsperren und Bewässerungskulturen in Nordgriechenland auf. [Bericht dazu in: „Science for Environment Policy of the EU”, news servive for policy makers which goes to over 10,000 subscribers]

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Preliminary Mapping and Characterization of Soils in the High Pirin Mountains (Bulgaria) In: Journal of Mountain Science Vol. 5, Nr. 2: 122-129
    Läßiger, M., Scheihauer, J., Grunewald, K.
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.1007/s11629-008-0133-9)
  • (2006) Mikrogletscher im Piringebirge (Bulgarien) In: Zschr. Gletscherkunde und Glazialgeologie, Band 39 (2003/2004), S. 99-114
    Grunewald, K., Weber, C., Scheithauer, J., Haubold, F.
  • (2007) Phasen des holozänen Klimawandels und kulturgeschichtliche Wirkungen in Südwest- Bulgarien In. Europa Regional 15/1, S. 2-13
    Grunewald, K., Scheithauer J.
  • (2008) Holocene climate and landscape history of the Pirin Mountains (Southwestern Bulgaria) In: Managing Alpine Future (Proceedings of the Innsbruck Conference, Oct. 15-17, 2007), A. Borsdorf, J. Stötter, E. Veulliet (eds.), IGF-Forschungsberichte, Band 2, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, S. 305-312
    Grunewald, K., Scheithauer, J.
  • (2008) Klima- und Landschaftsgeschichte Südosteuropas. Rekonstruktion anhand von Geoarchiven im Piringebirge (Bulgarien) BzL Band 6, RHOMBOS-Verlag, Berlin, 180 S.
    Grunewald, K., Scheithauer, J.
  • (2008) Untersuchungen an der alpinen Waldgrenze im Piringebirge (Bulgarien) In: GEOÖKO, Volume/Band XXIX, S. 1-32
    Grunewald, K., Scheithauer, J.
  • (2008) What are mountain regions in Southeast Europe able to learn from the Alps? (Bansko/Pirin, Bulgaria) In: Managing Alpine Future (Proceedings of the Innsbruck Conference, Oct. 15-17, 2007), A. Borsdorf, J. Stötter, E. Veulliet (eds.), IGF-Forschungsberichte, Band 2, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, S. 295-302
    Grunewald, K., Scheithauer, J.
  • (2008) Микроледници в Пирин планина In: Problems of Geography. 1-2, Bulgarian Academy of Sciences, Sofia, pp. 164-180
    Grunewald, K., Scheithauer, J., Gikov, A.
  • Bohrung in einen Mikrogletscher In: Zschr. Gletscherkunde und Glazialgeologie. Band 42/1 (2008), S. 3-18
    Grunewald, K., Scheithauer, J.
  • (2009) A novel approach for the homogenization of cellulose to use micro-amounts for stable isotope analyses Rapid Communications in Mass Spectrometry, 23/13:1934-1940
    Laumer, W., Andreu, L., Helle, G., Schleser, G.H., Wieloch, T., Wissel, H.
  • (2009) Characterisation of contemporary local climate change in the mountains of south-western Bulgaria In: Climatic Change, Vol. 95, No. 3-4, 535-549
    Grunewald, K., Scheithauer, J., Monget, J.-M., Brown, D.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s10584-008-9508-8)
  • Dendroecological studies on Bosnian Pine (Pirin Mtns., Bulgaria) In: TRACE Vol. 7, 142-150
    Scheithauer, J., Grunewald, K., Helle, G., Günther, B., König, J., Gikov, A.
  • (2010) Europe’s Southernmost Glaciers: Response and Adaptation to Climate Change In: Journal of Glaciology, Vol. 56, No. 195, 129-142
    Grunewald, K., Scheithauer, J.
 
 

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