Rekonstruktion der jüngeren Klima- und Landschaftsentwicklung in sensiblen südosteuropäischen Grenzräumen am Beispiel des Piringebirges in Bulgarien
Final Report Abstract
Zur geoökologischen Charakterisierung des nördlichen Piringebirges in Südwest-Bulgarien konnten mittels moderner Untersuchungsmethoden die Grundlagen erheblich erweitert werden. Zahlreiche Daten wurden gesammelt, erzeugt, analysiert und bewertet. Es wurde ein eigenes Umweltmonitoring in der Region etabliert, das insbesondere geländeklimatische Parameter, Mikrogletscher, die Vegetation der alpinen Waldgrenze, Böden und Gewässergüte beinhaltet. Derartige Beobachtungen in der Natur stellen eine wichtige Entscheidungsgrundlage für Managementmaßnahmen zur Landschaftsentwicklung dar. In einem neuartigen Archiv- und Methodenverbund aus Jahrringanalysen von Bäumen des Waldgrenzökotons, chemisch-physikalischen Untersuchungen an Firn- und Eisschichten in Mikrogletschern sowie deren Umfeld und Analysen von Klimadatenreihen wurden im Piringebirge verschiedene paläo-geoökologische Interpretations- und Verknüpfungsansätze angewandt und weiterentwickelt, denn trotz der großen Zahl hochgelegener Bergregionen auf der Balkanhalbinsel weiß man relativ wenig über die Waldgrenzen, die waldbildenden Baumarten und die Umweltfaktoren dieser Ökotone. Die glaziologischen, pedologischen und dendrologischen Untersuchungen wurden mit einem vorwiegenden Klimabezug, vor allem für historische Zeiten, durchgeführt. Am Beispiel des Piringebirges konnte gezeigt werden, dass die holozäne Landschaftsgeschichte der Hochlagen anhand von Pollenprofilen der Seesedimente und Moore in Südwest-Bulgarien gut untersucht ist. Die Ergebnisse belegen eine relative klimatische Stabilität über mehr als 10000 Jahre, jedoch auch deutliche Änderungen im Baumbestand der Waldgrenze infolge Klimamodifizierungen und vegetationshistorischer Entwicklungen. Im Subatlantikum und im frühen Mittelalter haben in SW- Bulgarien optimale Bedingungen für Vegetations- und Bodenentwicklung in Höhenlagen geherrscht, die heute deutlich über der Waldgrenze liegen. Auffällig ist die Synchronität mit Blütezeiten gesellschaftlicher Entwicklung. Klimaverschlechterungen traten im Subboreal und während der „Kleinen Eiszeit“ auf, Zeiten, in denen in Bulgarien die kulturhistorische Entwicklung stagnierte. Die Mikrogletscher der Untersuchungsregion stellen (wie in mehreren Publikationen gezeigt werden konnte) ausgezeichnete Demonstrationsobjekte zur Visualisierung des Klimawandels dar. Die Jahrringchronologien der untersuchten Panzerkiefern (Pinus heldreichii) im Pirin reichen bis zu 722 Jahren zurück. Sie wurden den Klimadatenreihen gegenübergestellt. Aufbauend auf signifikanten Beziehungen zwischen Wachstum und einzelnen Klimaparametern wurde das neuzeitliche Klima rekonstruiert. Neben der Jahrringbreite können die Spätholzdichte und stabile Isotope des Kohlenund Sauerstoffs (δC, δO) als Indikatoren herangezogen werden. Während die maximale Spätholzdichte in erster Linie das Temperatursignal (August) an der oberen Waldgrenze nachzeichnet, sind die Jahrringbreiten negativ mit den Sommertemperaturen und positiv mit dem Niederschlag im Juli korreliert. Diese Zusammenhänge deuten darauf hin, dass das Wachstum der Panzerkiefer im Nordpirin stärker feuchte- als temperaturlimitiert ist. Klima und Witterung unterlagen im globalen Kontext während der letzten Dekaden signifikanten Veränderungen. Für Gebirgsregionen des Balkans, speziell für die Rila-Pirinregion, wurden neben saisonal gestiegenen Temperaturen längere Vegetationsperioden und kürzere, wärmere und schneeärmere Winter beobachtet. Zudem kam es zu Verschiebungen der innerjährlichen Variabilität der Niederschläge. Tendenziell ist auch das Schnee-Regen-Verhältnis rückläufig. Von den Änderungen der klimatischen Schwellenwerte sind insbesondere die Waldgrenzökotone betroffen. Beispielsweise dehnt sich gegenwärtig das Vorkommen der Bergkiefer (Pinus mugo) vertikal aus. Für Bulgarien konnten diesbezügliche Klima-Zeitreihen seit den 1930er Jahren ausgewertet werden, womit ein Beitrag zur beobachtungsgestützten, regionalen Klimatologie und zur regionalen Ausprägung des globalen Klimawandels geleistet wurde. Der Klimawandel hat auch sozioökonomische Folgen. Hierzu zählen beispielsweise die Schneesicherheit in den bulgarischen Skigebieten und der Wasserbedarf im gegenwärtig boomenden Skiort Bansko am Fuße des Nordpirins. Außerdem weisen die südwestbulgarischen Gebirge in ihrer Funktion als „Wasserturm“ für das Umland sogar eine Fernwirkung bis zu den Talsperren und Bewässerungskulturen in Nordgriechenland auf. [Bericht dazu in: „Science for Environment Policy of the EU”, news servive for policy makers which goes to over 10,000 subscribers]
Publications
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