Dogmatik im Näheverhältnis: Das Problem der Sonderstatusverhältnisse im Staats- und Verwaltungsrecht.
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt „Grundrechte im Näheverhältnis“ ist der Frage nachgegangen, wie sich die Reichweite grundrechtlich garantierter Individualfreiheit verändert, wenn der Bürger sich innerhalb staatlicher Institutionen bewegt – sei es im Staatsdienst, sei es als Nutzer oder Insasse staatlicher Einrichtungen, vor allem in Schulen oder im Strafvollzug. Kann der Bürger sich auch in solchen „Eingliederungslagen“ im sonst üblichen Umfang auf Freiheitsrechte berufen oder stoßen diese hier auf besondere Grenzen? Diese klassische, meist unter dem Schlagwort vom „Sonderstatusverhältnis“ diskutierte Fragestellung des öffentlichen Rechts ist von ungebrochener Aktualität: Der Kopftuchstreit um religiös bekleidete Lehrer, das Gebet von Schülern auf dem Pausenhof, die gewissensbedingte Befehlsverweigerung von Soldaten oder die Demonstrationsfreiheit auf dem Frankfurter Flughafen sind Beispiele aus der jüngsten Rechtsprechung, die das veranschaulichen. In scharfer Abgrenzung von der früher für diese Konstellationen entwickelten, autoritär ausgerichteten Spezialfigur des „besonderen Gewaltverhältnisses“ will die jüngere Rechtswissenschaft hier mehr oder minder konsequent die Individualfreiheit nach allgemeinen Regeln und in den allgemeinen Grenzen zum Zuge kommen lassen. Das Projekt wendet sich gegen beide Lösungsschemata und folgt der These, dass es hier um Grenzbereiche geht, die sich einfachen Antworten entziehen und vom Normalfall bürgerlicher Freiheitsausübung in wichtigen Punkten abweichen. Es entwickelt von diesem Ausgangspunkt aus ein Modell des Grundrechtsschutzes, das auf die spezifischen Bedingungen innerhalb von Eingliederungsverhältnissen zugeschnitten ist. Dieses Modell erlaubt es, die besonders komplexe Balance zwischen Individualfreiheit und institutionellen Rahmenbedingungen adäquat und differenziert zu erfassen und dadurch sowohl die vielfach zu beobachtenden Überdehnungen als auch unberechtigte Verkürzungen des Freiheitsarguments zu vermeiden. Damit will es neue und präzisere Argumentationswege bei der rechtlichen Lösung von Konflikten innerhalb staatlicher Institutionen eröffnen.