Modellgestützte Koordination der operativen Produktions- und Instandhaltungsplanung und -steuerung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
In der Wissenschaft und Praxis werden die beiden Planungsbereiche Produktion und Instandhaltung (IH) bei operativen Fragestellungen häufig getrennt voneinander analysiert und bewertet. Dies kann zu einer ineffizienten Ressourcennutzung (z. B. Verfügbarkeitsverluste, Ausfall- und Ausfallfolgekosten) führen, da für IH-Maßnahmen ebenso wie für Produktionsaufträge kurzfristig Verfügbarkeiten der in dem Produktionssystem eingesetzten Maschinen zur Verfügung gestellt werden müssen. Die zunehmende Entwicklung von Maschinenüberwachungssystemen erlaubt es jedoch zunehmend, IH-Bedarfe anhand des Zustands der Komponenten (zustandsorientierte IH) weit vor dem Ausfall bzw. Versagen der Komponenten aufzuzeigen. Dieser „Gewinn“ an Planbarkeit kann wiederum genutzt werden, um Produktions- und IH-Aufträge simultan zu terminieren und den Zielkonflikt zwischen den beiden Planungsbereichen aufzuheben. Vor diesem Hintergrund war das Ziel des Forschungsprojekts, einen Modellierungsansatz zu entwickeln, der die Produktion, die Abnutzung von Maschinenkomponenten sowie die erforderlichen IH-Maßnahmen kombiniert abbildet. Hierdurch sollte eine wissenschaftliche Analyse der Wechselwirkungen ermöglicht werden, um die Grundlage für eine effizientere Ressourcennutzung zu legen. Als praxisnahes Anwendungsszenario wurde exemplarisch eine Bremszylinder-Fertigung (spanende Fertigung) des Automobilzulieferers Continental betrachtet. Zum Aufbau einer Entscheidungsunterstützung zur kombinierten Produktions- und IH-planung wurden die Entscheidungsprobleme des Praxispartners formal mathematisch modelliert. Dies erlaubt eine isolierte Betrachtung der vorhandenen Determinanten und Restriktionen der Planung. Gelöst werden konnte das hochgradig komplexe Problem mit Hilfe eines entwickelten Algorithmus auf Basis einer Fix-and-Optimize Heuristik. Diese Heuristik löst das Problem durch Optimierung von Teilproblemen bei Fixierungen der übrigen Elemente des Gesamtsystems. Implementiert wurde das Optimierungsmodell und der Lösungsalgorithmus mit Hilfe der kommerziellen Entwicklungsumgebung General Algebraic Modeling System (GAMS®). Diese nutzt zur Lösung der Teilprobleme den kommerziellen Solver CPLEX®. Zur Analyse der Algorithmen wurde ein virtuelles Abbild des betrachteten, realen Produktionssystems entwickelt. Hierzu wurde mit der kommerziellen Software Siemens Plant Simulation® die Fertigungsstrukturen und -abläufe des Produktionssystem in ein ablauforientiertes Simulationsmodell überführt. Die Abnutzung der spanenden Werkzeugmaschinen in Abhängigkeit der Produktion wurde mit formalen Ersatzmodellen (stochastische Methoden: Brownsche-Bewegung u. Markov-Ketten) beschrieben und in dem Simulationsmodell in separaten Unternetzwerken umgesetzt. Mit Hilfe eines prototypischen Planungssystems (basierend auf Microsoft Excel) wurde das entwickelte Optimierungsmodell mit dem Simulationsmodell über geeignete Datenschnittstellen verknüpft. Der Demonstrator wurde mit geeigneten Steuerungselementen und Makros um eine übergeordnete Bedienoberfläche erweitert. Das Planungssystem ermöglicht es, mit dem Optimierungsmodell ermittelte Produktions- und IH-pläne über Datenschnittstellen in das Simulationsmodell zu übertragen und die Ergebniswerte in dem Demonstrator zu visualisieren und zu interpretieren. Zum Projektende lag folglich ein Modellierungsansatz vor, der produktionstechnische Aspekte der Abnutzung von Komponenten und produktionswirtschaftliche Aspekte formaler Entscheidungsmodelle zur Produktions- und IH-planung methodisch miteinander verknüpft. Eine integrierte, wissenschaftliche Analyse der Wechselwirkungen durch unterschiedliche Simulations- und Optimierungsstudien zeigte die Potentiale der Einbeziehung von Komponentenabnutzung in die Produktionsplanung auf. Insbesondere für Komponenten, deren IH ein teilweiser/kompletter Rüstverlust nach sich zieht, konnte eine effizientere Ressourcennutzung bestätigt werden. Durch die Studien konnten zweierlei Potentiale aufgezeigt werden. Zum einen ist für den konkreten Anwendungsfall eine Einsparung der Maschinenkapazität von bis zu 3 % durch reine Optimierung der Produktionsplanung möglich. Zum anderen führt die koordinierte Planung von IH und Produktion neben diversen eher schwierig zu quantifizierenden Vorteilen (wie bspw. eine höhere Prozesssicherheit, bessere Planbarkeit und Qualitätssteigerung) der präventiven IH auch zu einer Einsparung von Rüstverlusten. Im Falle der beispielhaft untersuchten Teilkomponenten konnte eine Einsparung von 15 Rüstverlusten im Zeitraum von einem Kalenderjahr gezeigt werden. Potentiell ist die Verhinderung von weiteren Rüstverlusten bei weiteren Teilkomponenten möglich. Weitere Forschungsarbeiten können auf die Berücksichtigung von stochastischen Eingangsgrößen (z. B. stochastische Rüstzeit) liegen, um die Robustheit des Ansatzes zu steigern.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Simulationsbasierte Instandhaltung. Optimierung der Instandhaltungsplanung und -steuerung mit Hilfe ereignisorientierter Simulation, wt Werkstattstechnik online, 100 (2010) H. 7/8, S. 598-603
Denkena, B., Blümel, P., Kröning, S.
- Integrated planning and control of maintenance and production, The 44th CIRP Conference on Manufacturing Systems, June 1-3, 2011, Madison, Wisconsin, USA, 6 Seiten
Denkena, B., Kröning, S., Blümel, P.
- (2012): Operational planning of maintenance measures by means of event-driven simulation, The 45th CIRP Conference on Manufacturing Systems, May 16-18, 2012, Athens, Greece, 6 Seiten
Denkena, B., Kröning, S., Doreth, K.