Verteilung der Muskelfasertypen in der Schultermuskulatur arborealer Primaten in Relation zu Schulterbewegung und Belastung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Primaten haben im Laufe ihrer Phylogenese eine hohe Vielfalt an Bewegungsweisen entwickelt, welche diejenige anderer Säugetiergruppen weit übertrifft. Ein wichtiger Prozess in der Evolution dieser Diversität war die Mobilisierung der Schulterregion, welche die Entwicklung neuer lokomotorischer und idiomotorischer Bewegungsweisen förderte. Nicht nur beim Hangeln und Klettern, sondern auch bei der arboreal quadrupeden Fortbewegung nutzen viele Primaten einen großen Bewegungsumfang im Schultergelenk, der gleichzeitig eine größere Belastung gegenüber schwerkraftinduzierten Gelenkmomenten bedeutet. Viele Primaten können ihre Vordergliedmaßen jedoch von der auf sie einwirkenden Gewichtskraft entlasten, indem sie einen größeren Anteil ihres Gewichtes auf die Hinterextremitäten verlagern. Gerade bei quadrupeden Primaten besteht jedoch kein unmittelbarer korrelativer Zusammenhang zwischen dem genutzten Bewegungsumfang im Schultergelenk und dem Grad der Entlastung der Vordergliedmaßen. Deshalb kommt der Schultermuskulatur und ihren Kontraktionseigenschaften die Rolle eines physiologischen Bindegliedes zwischen Bewegung und Belastung zu. In dem geförderten Foschungsprojekt wurde die Zusammensetzung der Muskulatur durch die verschiedenen Muskelfasertypen und die räumlicher Verteilung der jeweiligen Fasertypen bei arboreal quadrupeden Primaten untersucht. Die ausgewählten Arten unterscheiden sich entweder im Umfang ihrer lokomotorischen Schulterbewegungen oder im Grad der Gewichtsbelastung der Vordergliedmaßen. Bei den Fasertypen wurden durch enzymhistochemische und immunzytologische Techniken zwei Haupttypen unterschieden. Langsam, aber ausdauernd kontrahierende Fasern vom Typ I sind vor allem für die stabilisierende Funktion eines Muskels verantwortlich. Schnell kontrahierende, aber auch schnell ermüdende Typ II-Fasern sind relevant für die Mobilität. Aufgrund allgemein gültiger allometrischer Gesetzmäßigkeiten nimmt der Grad der Belastung einer Extremität durch die Gewichtskraft mit zunehmender Größe überproportional zu. So haben größere Arten stets einen höheren Anteil ausdauernd kontrahierender Fasern, um der gewachsenen Stabilisierungsnotwendigkeit zu begegnen. Bei denjenigen Primaten, die ihre Vordergliedmaßen aktiv entlasten (Brauner Maki, Totenkopfaffe), ist der Anteil dieses Fasertyps jedoch geringer als bei Vertretern, welche die Fähigkeit zur Entlastung nicht haben oder nicht nutzen (Lisztaffe, Schlanklori). Unter den hier verglichenen Primaten hat nur der Mausmaki die für Theria ursprüngliche Beingeometrie beibehalten, während alle größeren Primaten durch eine veränderte Auffußposition der Vorderextremität gekennzeichnet sind. Dabei wird der Arm weit nach vorn gestreckt und im Schultergelenk können nun Extensionsmomente eine neue Belastungssituation hervorrufen, welche nicht mehr durch die ursprünglichen Antigravitationsmuskeln (M. supraspinatus) kontrolliert werden kann. Bei den größeren quadrupeden Primaten wird der M. infraspinatus ein wichtiger zusätzlicher Stabilisator des Schultergelenkes gegenüber den Extensionsmomenten am Beginn der Kontaktphase. Der M. teres minor, der beim Mausmaki und auch beim Tupaia fehlt, wird bei den größeren Arten nicht nur ein Agonist des M. infraspinatus sondern durch seine hohe Zahl an Muskelspindeln auch ein wichtiger Sensor für die neuen Belastungssituationen des Schultergelenks. Die Ergebnisse des Forschungsprojektes machen deutlich, wie plastisch und anpassbar die untersuchten Kontraktionseigenschaften der Muskulatur sind. Dieser Plastizität steht der Konservatismus der neuronalen Steuerung der Muskelaktivität bei Tetrapoden gegenüber, der besagt, dass die Aktivierung der Motoneurone homologer Muskeln einem konservierten zeitlichen Muster folgen. Durch Veränderung der Fasertypenzusammensetzung eines Muskels könnten sich aber die räumlichen und zeitlichen Rekrutierungsmuster in einem Muskel verändern und an neue Anforderungen der Bewegung und Belastung anpassen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2007): Fiber type distribution in the shoulder muscles of tree shrews, cotton-top tamarins, and squirrel monkeys related to shoulder movements and forelimb loading. J. Hum. Evol. 52, 401-419
Schmidt, M. & Schilling, N.
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(2008): Forelimb proportions and kinematics: How are small primates different from other small mammals? J. Exp. Biol. 211, 3775-3789
Schmidt, M.
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(2010): Functional analysis of the primate shoulder. Int. J. Primatol. 31, 301 - 320
Preuschoft, H.; Hohn, B.; Scherf, H.; Schmidt, M.; Krause, C. & Witzel, U.