Die Rolle interhemisphärischen Transfers und cerebraler Asymmetrien für die multisensorische Wahrnehmung
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das vorliegende Projekt beschäftigte sich mit dem Einfluss hemisphärischer Asymmetrien und interhemisphärischen Transfers auf die multisensorische Wahrnehmung. Hauptziel der war dabei herauszufinden wie hemisphärische Asymmetrien und interhemisphärischer Transfer die multisensorische Wahrnehmung beeinflussen. In einer ersten Untersuchung wurde dazu die visotaktile Integration bei normal zyklierenden Frauen in verschiedenen Zyklusphasen - eine Population, in der systematische Schwankungen interhemisphärischer Inhibition, wie auch Integration auftreten - untersucht und mit Männern und hormonell verhütenden Frauen verglichen. Dabei zeigte sich interessanter Weise ein Unterschied in der visotaktilen integration zwischen der Luteal- und der Menstrualphase bei normal zyklierenden Frauen, der bei den beiden Kontrollgruppen nicht auftrat. Dieser Effekt hing signifikant mit der Östradiol Konzentration im Blut zusammen, so dass geschlussfolgert werden kann, dass dieses weibliche Geschlechtshormon die multisensorische Wahrnehmung beeinflusst. In einer zweiten Untersuchung sollte das Ausmaß interhemisphärischen Transfers und cerebraler Asymmetrien mit der Dominanz externer vs. anatomischer Referenzrahmen für die taktile und visuotaktile Wahrnehmung in Beziehung gesetzt werden. Dazu wurde visotaktile Integration in 5 Patienten mit callosaler Agenese und 31 gesunde Kontrollen erfasst. Dabei zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen Patienten und Kontrollen. Dies zeigte zum ersten Mal, dass callosale Konnektivität keine zwingende Voraussetzung für räumliche Remapping Prozesse in der visotaktilen Interaktion sind. Wahrscheinlich können mögliche Defizite die durch das Fehlen des Corpus callosum entstehen durch frühe Plastizitätsprozesse kompensiert werden. In der dritten und letzten Studie wurden Unterschiede im Ausmaß cerebraler Asymmetrien zwischen Geburtsblinden und Sehenden untersucht. Insgesamt wurden 17 blinde Individuen und 26 normalsehende Kontrollprobanden mit verschiedenen Tests zu Händigkeit, Füßigkeit und Kopfdrehungspräferenzen untersucht. Gesunde Kontrollprobanden zeigten dabei wie erwartet eine signifikante rechtsseitige Präferenz sowohl bei der Kopfdrehungspräferenz, als auch bei Händigkeit und Füßigkeit. Interessantenweise zeigten die blinden Individuen zwar eine deutliche Rechtshändigkeit die vergleichbar zu den Kontrollprobanden war, aber im Kontrast zu diesen eine deutliche Linkspräferenz in Bezug auf die Kopfdrehungspräferenz. Dies zeigt, dass die Abwesenheit visueller Erfahrungen hemisphärische Asymmetrien beeinflussen kann und dass sich Rechtshändigkeit auch ohne die visuelle Erfahrung der Hände entwickeln kann. Insgesamt zeigen die Ergebnisse des Projekts, dass die Beziehung zwischen hemisphärischen Asymmetrien und multisensorischer Integration eine wechselseitige ist. Auf der einen Seite können multisensorische Erfahrungen das Auftreten von hemisphärischen Asymmetrien beeinflussen, auf der anderen Seite modulieren hemisphärische Asymmetrien und interhemisphärische Interaktion auch die Qualität multisensorischer Wahrnehmung.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2011). Visuotactile interactions in the congenitally acallosal brain: evidence for early cerebral plasticity. Neuropsychologia, 49, 3908-3916
Wolf, C.C., Ball, A., Ocklenburg, S., Otto, T., Heed, T., Röder, B., Güntürkün, O.
- (2013). Experience-dependent emergence of functional asymmetries. Laterality, 18, 407-415
Nava, E., Güntürkün, O., Röder, B.
- (2013). Multisensory integration across the menstrual cycle. Front Psychol, 4, 666
Ocklenburg, S., Wolf, C.C., Heed, T., Ball, A., Cramer, H., Röder, B., Güntürkün, O.