Das Wissen vom Westen in Indonesien: Ethnologische Untersuchungen in urbanen und ruralen Räumen auf Java und Sulawesi
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das vorliegende Projekt untersuchte die Vorstellungen und Wahrnehmungen des Westens bei verschiedenen Gruppen innerhalb der indonesischen Bevölkerung. Als Repräsentation des Anderen/Fremden wurden Perzeptionen des Westens im Hinblick darauf betrachtet, wie sie mit (welchen) Bildern des Eigenen verknüpft sind und welche Auswirkungen sie auf die soziale Praxis haben. Die empirisch gewonnenen Erkenntnisse zeigen, dass ein Kern-Repertoire von Bildern des Westens von allen Forschungsteilnehmern/-innen geteilt wird und eine ambivalente Bewertung des Westens einschließt. Verbunden mit Bildern des Eigenen, die sowohl glorifizierenden als auch (vor allem) selbstkritischen Charakter haben, ist zu beobachten, dass teilweise der orientalistische Diskurs reproduziert und/oder ein okzidentalistischer Gegendiskurs geführt wird, der ebenso dichotomen Denkweisen verhaftet bleibt. Gleichzeitig regt direkte Interaktion mit dem Westen oder Westlern/-innen aber auch die Revision von Stereotypen an und es besteht ein allgemeines Bewusstsein dafür, dass medial vermittelte Darstellungen des Westens nicht die realen Verhältnisse wiedergeben müssen. Die Auseinandersetzung mit einem breiten Spektrum von Menschen in unterschiedlichen Lebenskontexten bestätigte, dass dem Westen in verschiedenen lokalen (Stadt-Land, Java-Sulawesi), religiösen (Muslime, Christen, Paranormale) und sozialen Umgebungen (Unter- und Mittelschicht) unterschiedliche Bedeutung zukommt und dies mit multiplen Praktiken verknüpft ist. Darüber hinaus steht der Westen als Referenzgröße neben zunehmend wichtigeren Bezügen zu (ost- und süd-)asiatischer Populärkultur, islamischer (arabisch konnotierter) Moderne und chinesischer Wirtschaftsmacht. Die Stadt Manado (Nordsulawesi) stellt eine Besonderheit dar, da der Westen als Teil des ‚Eigenen’ gesehen wird, wobei die Orientierung zunehmend weniger auf Europa als auf die USA gerichtet ist. Es entsteht eine „andere Welt“ im muslimischen Indonesien. Hinsichtlich der muslimischen Forschungsteilnehmer/-innen ist bemerkenswert, dass die Mehrheit keineswegs grundsätzlich und ausschließlich negativ gegenüber dem Westen eingestellt ist. Vielmehr wird positiv konnotierten westlichen Konzeptionen und Handlungspraktiken mit Offenheit begegnet. So genannten paranormalen Spezialisten/-innen kommt eine interessante Mittlerposition zu, da die von ihnen vertretene spirituelle Ökonomie auf der Verbindung von Tradition und kosmopolitischer Moderne beruht. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass auf lokaler Ebene ständig neue, fragmentierende Bilder und Kategorien entworfen werden, in denen das Wissen vom Westen, die Sinnzuschreibung an verschiedene Räume sowie die Imaginationen der Welt zur Debatte stehen. Damit einher gehen Identifikation oder Ablehnung, also auch Selbstkonstitution und moralische Ordnung. Dies in dialogischer Herangehensweise zu erfassen ist von enormer Wichtigkeit für gegenseitiges Verstehen und globale Verständigung. Yulianto, Vissia Ita: Understanding Modernity in Today´s Indonesia, The Jakarta Post, 11. November 2010. http://www.thejakartapost.com/news/2010/11/04/understandingmodernity-today%E2%80%99s-indonesia.html Arham, Asa: Mahasiswi Asal Jerman Teliti Pandangan Masyarakat Islam Terhadap Barat, Tribun Timur, 16. Feb. 2011. http://202.146.4.121/read/artikel/150489/sitemap.html Arham, Asa: Mahasiswi Jerman Teliti Pandangan Muslim Indonesia Terhadap Barat, Asa Arham-Blog, 11. Dez. 2011. http://asaarham.blogspot.com.au/2011/12/mahasiswi-jerman-teliti-pandangan.html
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2011): “Cultural politics of representation in contemporary Indonesia”, European Journal of East Asian Studies (EJEAS), Vol. 10: 149-167
Schlehe, Judith
- (2011): “Is the Past Another Country? A Case Study of Rural-Urban Affinity on Mudik Lebaran in Central Java”, Journal of Indonesian Social Science and Humanities (JISSH), Vol.4: 49–64
Yulianto, Vissia Ita
- (2012): „Moderne Paranormale als spirituelle UnternehmerInnen in Indonesien?“. In: Asien. The German Journal of Contemporary Asia, Nr. 123, 2012: 95-111
Schlehe, Judith
- (2013): “Concepts of Asia, the West and the Self in contemporary Indonesia. An anthropological account”, South East Asia Research (SEAR), Vol. 21, No. 3: 497-515
Schlehe, Judith
- (2013): „Wechselseitige Übersetzungen: Methodologische Neuerungen in transkulturellen Forschungskooperationen“. In: Bierschenk, Thomas/Mathias Krings/ Carola Lentz (Hgg.): Ethnologie im 21. Jahrhundert. Berlin: Reimer: 97-110
Schlehe, Judith