Visuell-räumliches Gedächtnis bei hippokampalen Läsionen - Mechanismen postläsioneller Plastizität beim Menschen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Gegenstand des Projektes war die Untersuchung visuell-räumlicher Gedächtnisfunktionen bei Patienten mit Läsionen des medialen Temporallappens (MTL), einer zentralen Hirnregion für bewusste Gedächtnisinhalte. Das Projekt untersuchte gezielt Fragen, die für diskrepante Befunde früherer Studien zur Rolle des MTL und seiner Subregionen für Gedächtnis verantwortlich sein könnten. Ein besonderer Fokus lag hierbei auf der Plastizität von MTL-abhängigen Gedächtnisfunktionen nach einer Läsion der Region. Wir konnten zeigen, dass das konkrete Muster visuell-räumlicher Gedächtnisdefizite nach einer MTL-Läsion signifikant von der zugrunde liegenden Erkrankung beeinflusst wird. So werden assoziative Gedächtnis-inhalte (z.B. die Fähigkeit, Farb- und Rauminformationen zu assoziieren) und nicht-assoziative Gedächtnisinhalte (z.B. die Fähigkeit, Farb- und Rauminformationen isoliert zur repräsentieren) offenbar in unterschiedlichen Netzwerken repräsentiert, die von den unter-suchten Erkrankungen differentiell beeinträchtigt werden. Dem MTL, insbesondere der Hip-pokampalen Formation, kommt dabei eine Rolle v.a. für assoziative Gedächtnisinhalte zu. Diese Funktion kann auch diagnostisch genutzt werden, wie wir an Kollektiven mit Z.n. auto-immun vermittelten Enzephalitiden zeigen konnten. Wir gehen davon aus, dass die gezeigte Rolle des Läsionsmodells zumindest für die Kontroversen um die Rolle des MTL für assoziative/nicht-assoziative Gedächtnisinhalte und verwandte Konzepte relevant ist. Wir konnten darüber hinaus zeigen, dass Schädigungen des MTL zumindest für assoziative visuell-räumliche Gedächtnisinformationen erfolgreich kompensiert werden können. Der entspre-chende Reorganisationsprozess ist komplex und besteht zum einen in der Rekrutierung in-takter hippocampaler Regionen v.a. der kontralateralen Hemisphäre, zum anderen in der Rekrutierung eines ausgedehnten bi-hemisphäriellen fronto-parietalen Netzwerks, dessen Aktivierung signifikant mit der Gedächtnisleistung korreliert. Offenbar finden hier sowohl langfristige Kompensationsprozesse, insbesondere bei früh erworbenen MTL-Läsionen, statt als auch kurzfristige Reorganisationsprozesse, die bereits auf einer Zeitskala von einigen Monaten nach einer Läsion ablaufen und ebenfalls funktionell relevant aber weniger effektiv sind. Wir konnten weiter zeigen, dass es auch außerhalb des MTL Regionen im Temporalla-ppen gibt, die für die langfristige Repräsentation bewusster Gedächtnisinhalte verantwortlich sind. Dies konnten wir in einem Projekt an Musikern belegen, dass auch in der Laienpresse erhebliche Resonanz fand.