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GRK 1662:  Religiöses Wissen im vormodernen Europa (800-1800) Transfers und Transformationen - Wege zur Wissensgesellschaft der Moderne

Fachliche Zuordnung Theologie
Geschichtswissenschaften
Förderung Förderung von 2011 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 162347376
 
Erstellungsjahr 2020

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Graduiertenkolleg „Religiöses Wissen im vormodernen Europa (800–1800)“ hat in seinen zahlreichen Einzelstudien, in erster Linie den Promotions- und Habilitationsschriften, sowie in mehreren Sammelbänden den Begriff ,religiöses Wissen’ interdisziplinär als Forschungskonzept entfaltet und etabliert. Die Verbindung aus einem auf gesellschaftlich akzeptierte Überzeugungen bezogenen Wissensbegriff und dem Thema Religion hat nicht nur selbst eine starre Dichotomie zwischen diesen beiden Begriffen überbrückt, sondern auch geholfen, im Verlauf der Förderperioden des Kollegs die Dichotomie zwischen ‚Offenbarungswissen‘ und ‚religiösem Wissen‘ zunehmend zu überwinden und den interdependenten Zusammenhang zwischen beiden klar vor Augen zu stellen. So wurde die Fluidität der mit dem Offenbarungswissen verbundenen heiligen Texte in der diskursiven und sozialen Praxis der Vormoderne erkennbar. Mit dieser zunehmenden Feststellung einer Interdependenz zwischen Offenbarungswissen und religiösem Wissen verband sich auch eine Annäherung der operativen Leitbegriffe Transfer und Transformationen, deren geringe Unterscheidbarkeit sich in der Erarbeitung der Einzelstudien immer deutlicher herausgestellt hat. Diese Verschiebungen spiegelten sich in einer Veränderung des Fokus des Graduiertenkollegs. Ausgegangen war das Kolleg in seiner ersten Phase von drei Operationalisierungsfeldern: 1. Produktion und Transfer religiösen Wissens in Institutionen und sozialen Gruppen, 2. Verfahren der Generierung und des Transfers religiösen Wissens, 3. Wechselwirkungen und Grenzverschiebungen zwischen christlich-religiösem Wissen und der Eigenlogik konkurrierender Wissensfelder. In der Durchführung der Einzelstudien stellte sich dabei der Bereich der Verfahrensweisen als der am besten operationalisierbare und interdisziplinär vermittelbare heraus: Weniger die einzelnen inhaltlich-thematischen Verschiebungen können die Dynamisierungspotentiale der Transformation religiösen Wissens in ihrer Relevanz für die moderne Wissensgesellschaft beschreibbar machen. Es sind vielmehr die formalen, medialen oder performativen Verfahren der jeweiligen Adaptationen und deren Argumentationslogiken, die hier eine tragende und bisher zu wenig berücksichtigte Rolle spielen. Die so vollzogene Differenzierung des Konzepts des religiösen Wissens hat seine Anwendbarkeit auf unterschiedliche Themenfelder erhöht. Sie wurde durch das spannungsvolle Miteinander aus der religionsbezogenen Wissenschaft Theologie in ihren unterschiedlichen Denominationen und den Kulturwissenschaften möglich. Deren Zusammenarbeit vollzog und bewährte sich vor allem durch eine zunehmende Fokussierung auf die Verfahrensweisen der Transformation religiösen Wissens. Auf der Basis der Kollegsarbeiten haben sich vier Verfahren als besonders produktiv herauskristallisiert, die zunächst noch die strenge Unterscheidung von Offenbarungswissen und religiösem Wissen voraussetzten, zunehmend aber dazu genutzt werden konnten, deren wechselseitige Bezogenheit aufeinander sichtbar zu machen: 1. rituelle Verfahrensweisen, 2. kommentierende Verfahrensweisen, 3. ästhetische Verfahrensweisen, 4. empirische Verfahrensweisen. Mit Hilfe dieser vierfachen Verfahren konnte das Beschreibungsinventar des Kollegs deutlich ausdifferenziert und die Interdisziplinarität auch auf der Ebene des methodischen Vorgehens vermittelt werden. Insgesamt ist es mit Hilfe des Konzepts des religiösen Wissens gelungen, zu einer differenzierteren Verhältnisbestimmung zwischen Moderne und Vormoderne beizutragen. Die sogenannte westliche Wissensgesellschaft mit ihren Selbstzuschreibungen der Toleranz, Säkularität, Rationalität und Ausdifferenzierung von Wissenschaft und Bildung, Recht und Politik, Religion, Kunst und Literatur erscheint so nicht als ein spezifisches Produkt der Moderne, sondern ist in den Aushandlungsprozessen der Vormoderne grundgelegt. Im Blick auf diese Verhältnisbestimmung reichen die Ergebnisse des Graduiertenkollegs deutlich über den zeitlichen Rahmen seiner Themenstellung hinaus. Angesichts der erfolgreichen Karriereverläufe der weit überwiegenden Anzahl der Graduierten ist mit einer Weiterverbreitung, vor allem aber wohl auch -entwicklung dieses Konzepts zu rechnen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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