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Lesen ohne Worte: ein Paradigma zur Untersuchung entwicklungspsychologischer Grundlagen von normalem und dyslektischem Lesen
Antragsteller
Professor Dr. Thomas Günther; Professor Dr. Ralph Radach
Fachliche Zuordnung
Persönlichkeitspsychologie, Klinische und Medizinische Psychologie, Methoden
Förderung
Förderung von 2010 bis 2021
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 164580011
Im ersten Förderabschnitt dieses DFG-Projektes ist es gelungen, die Landolt Aufgabe (LA) als innovatives Paradigma zu etablieren, mit dessen Hilfe Blick-bewegungen beim Lesen in einer sprachfreien Anforderung approximiert werden können. Zudem konnte in einer Längsschnittstudie mit Messungen in der Vorschule bis zur 2. Klasse gezeigt werde, dass bei Vorschülern bereits zwischen guten und schlechten Landoltlesern unterschieden werden kann und dass die Blickbewegungen in der LA im Laufe der Entwicklung immer leseähnlicher werden. Ferner gibt es Hinweise darauf, dass eine Subgruppe von Kindern mit Dyslexie Schwierigkeiten in der LA hat und sich dies auch auf das Blickverhalten im Lesen auswirkt.Wir gehen davon aus, dass verschiedene Ursachen zu Lesestörungen beitragen und es daher ätiologisch unterschiedliche Subtypen gibt. Unter dieser Annahme ist es wahrscheinlich, dass bei einer Gruppe von Kindern auffällige Blickbewegungen eine Folge der gestörten linguistischen Verarbeitung sind und in einer zweiten Gruppe eher mit Störungen in nicht-linguistischen Prozessen zusammenhängen. Genauere Analysen über den Einfluss solcher Defizite auf das Lesen sind möglich, wenn vorschulisch erhobene Blickbewegungsdaten mit dem Lesen in späteren Jahren verglichen werden. Durch eine detaillierte Untersuchung von Kindern, die die LA unterschiedlich gut bewältigen, kann erforscht werden, worin die Ursachen für auffällige Blickbewegungen und ggf. hiermit assoziierter Störungen der Wortverarbeitung bestehen. Vor diesem Hintergrund werden in zwei aufeinander bezogenen Teilprojekten folgende Ziele verfolgt:1. Um die Frage nach der Bedeutung von auffälligem Blickverhalten in der Vorschule und der folgenden Leseentwicklung zu klären, soll die Längsschnittuntersuchung mit Blickbewegungsmessungen und ergänzender Diagnostik fortgeführt werden. Eine Kernhypothese ist, dass eine Subgruppe von Kindern mit Dyslexie in der 4./5. Klasse bereits vor dem Leseerwerb Auffälligkeiten in der LA zeigt und sich dies auf das Leseverhalten auswirkt. Ebenso wichtig ist, dass die Studie wertvolle neue Erkenntnisse über die Entwicklung von Wortverarbeitung und Blickbewegungssteuerung beim Lesen liefern kann.2. Unter Nutzung der LA soll in innovativen experimentellen Untersuchungen geklärt werden, inwieweit zwei bisher wenig untersuchte Kernprozesse des Lesens zu Entwicklungsdefiziten beitragen. Dabei geht es um die extrafoveale Informationsaufnahme sowie die räumliche Navigation bzw. das räumliche Gedächtnis, die jeweils mit Aufmerksamkeitsprozessen verknüpft sind. Besonders vielversprechend ist dabei die Beantwortung der Frage, inwieweit eine Ressourcenüberlastung durch basale Leseprozesse zu Störungen im Lesesinnverständnis führen kann. Durch die Verwendung einer theoriegeleiteten und für beide Teilprojekte identischen Testbatterie wird es möglich sein, Beziehungen zwischen experimentellen Ergebnissen und individuellen Profilen in leserelevanten Teilleistungen zu identifizieren.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen