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Integration durch Freundschaft? Dynamiken sozialer Assimilation von Kindern aus Migrantenfamilien in multiplexen Peernetzwerken

Fachliche Zuordnung Empirische Sozialforschung
Förderung Förderung von 2010 bis 2015
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 167020517
 
Erstellungsjahr 2015

Zusammenfassung der Projektergebnisse

In dem Projekt wurde die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund in soziale Beziehungsstrukturen ihrer Schulklassen untersucht. Es zielte unter anderem auf eine Längsschnittanalyse multiplexer Gesamtnetzwerke von Schulklassen, so dass auch über die potenziellen Interaktionspartner, die ein Kind in einer jeweiligen Kontaktdimension nennen kann, alle in der Befragung erfassten Merkmale verfügbar sind. Diese Netzwerkperspektive ist relevant, weil Kinder mit Migrationshintergrund häufig in Schulformen mit überproportional vielen Kindern aus bildungsfernen Elternhäusern und Kindern mit Migrationshintergrund übergehen. Auf Basis von Gesamtnetzwerken wurden schulische und soziale Integrationsprozesse von jungen Migranten und Migrantinnen bislang wenig erforscht. In dem Projekt wird daher netzwerkanalytisch nach den Ursachen für unterschiedliche Formen der Integration gefragt und deren Folgen u.a. für die Schulmotivation, das Problemverhalten sowie die Schulleistung untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass die ethnische Segregation umso stärker wird, je höher die Kosten der Kontakte in der jeweiligen Dimension sind (Windzio & Bicer 2013). Aus den Ergebnissen folgern wir, dass die Analyse von Freundschaftskontakten zwar einerseits wichtig ist für die Integrationsforschung, aber anderseits das reale Ausmaß der ethnischen Segregation von Netzwerken nicht umfassend abbilden kann. Religionsangehörigkeit und Religiosität haben von der Ethnie unabhängige Einflüsse auf homophile Netzwerkstrukturen. Im Einklang mit dem Integrationsmodus der selektiven Akkulturation zeigte sich, dass Kinder mit türkischem Migrationshintergrund zwar durchaus Freundschaften zu einheimischen Peers pflegen, diese jedoch eher schwache Freundschaften darstelle. In rein türkischen Dyaden sind hingegen die Chancen auf starke Freundschaften erhöht. Auch generell sind tatsächlich Neigungen zur ethnischen Homophilie in engen Freundschaftsbeziehungen festzustellen, während in schwachen Freundschaften ethnisch gemischte häufiger Dyaden auftreten. Je größer der Anteil von türkischstämmigen Schülern in der Klasse ist, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass ein deutschstämmiger Schüler einen türkischstämmigen Klassenkameraden als Freund benennt. Je größer also die Fremdgruppengröße in den Klassen, desto wahrscheinlicher werden interethnische Freundschaftswahlen und je diverser die Klassen nach ethnischen Gruppen zusammengesetzt sind, desto größer die Wahrscheinlichkeit einer Freundschaftsbindung zwischen Schulkindern unterschiedlicher ethnischer Herkunft. Ein höherer Anteil statusinkonsistenter Kinder in einer Klasse zu einer geringeren Wahrscheinlichkeit für eine negative Beziehung zwischen zwei Akteuren führt, was Galtungs Criss-Cross Konzept bestätigt. Somit tragen statusinkonsistente Kinder zur Hemmung von Konflikten bei. Durch die Mitgliedschaft in einem Sport- oder Musikverein haben Kinder höhere Chancen auf interethnische sowie intraethnische Freundschaften innerhalb ihrer Schulklasse. Ein weiterer Kontextfaktor als Rahmenbedingung für interethnische Netzwerkkontakte stellt die intergenerationale Interdependenz dar. Es wurde gezeigt, dass durchaus ein gewisses Niveau an ethnischer Segregation der Freundschaftsnetzwerke existiert, allerdings ist die Segregation in den Netzwerken zwischen den Eltern deutlich ausgeprägter. Haben auch die Eltern Kontakt zueinander, sind die Chancen auf eine Geburtstagseinladung der Kinder deutlich erhöht. Dies gilt auch, wenn man die Analyse auf jene Dyaden der Kinder beschränkt, die bereits Freunde sind. Auch innerhalb der Untergruppe der befreundeten Kinder wirkt sich also ein Kontakt unter den Eltern signifikant positiv auf die Chancen einer Geburtstagseinladung aus. Untersucht wurde darum die Einbettung in Netzwerke der gemeinsamen Bearbeitung von Schularbeiten. Auch hier zeigte sich relativ eindeutig eine Homophilie nach Geschlechtern, aber auch hinsichtlich des Kontrollverhaltens der Mütter: Je ähnlicher Ego und Alter sich in Bezug auf das mütterliche Kontrollverhalten sind, desto eher sind sie auch geneigt, Freundschaften einzugehen - aber auch gemeinsam Hausaufgaben zu bearbeiten. Es zeigt sich, dass zwei türkische Schüler deutlich höhere Neigungen zum gemeinsamen Bearbeiten von Hausaufgaben haben als zwei einheimisch deutsche Schüler. Allerdings verschwindet dieser Effekt, wenn nur Alteri mit überdurchschnittlich guten Noten betrachtet werden. Mit anderen Worten: Zwar sind zwei türkische Schüler sehr geneigt zur Kooperation bei den Hausaufgaben, sie stoßen dabei aber keineswegs häufiger auf andere Schüler mit guten Noten. Demzufolge ist das ethnisch-segregierte Hausaufgabennetzwerk offensichtlich auch nach Kompetenz der Mitschüler segregiert und wirft aufgrund dessen weniger Sozialkapital ab, als Netzwerke zweier einheimischer Deutscher.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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