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Sprachliche Dynamik im multiethnischen Nationalstaat: Fallstudie Moldova.

Fachliche Zuordnung Einzelsprachwissenschaften, Historische Linguistik
Förderung Förderung von 2010 bis 2013
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 169838274
 
Erstellungsjahr 2013

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Soziolinguistische Forschungen zur sprachlichen Dynamik in der Republik Moldova – in einem multiethnischen Staat am östlichen Rand der Ostromania und an der Außengrenze der Europäischen Union gelegen – lenken das Erkenntnisinteresse auf soziale Prozesse, konfliktgeladene Sprachverhältnisse und Formen sprachlicher Praxis, die keineswegs nur für regional bezogene Forschungsinteressen von Bedeutung sind. Eingebettet in Prozesse tiefgreifender gesellschaftlicher Transformationen in der Republik Moldova – in postsowjetischer Zeit, im Zuge der Errichtung eines Nationalstaats mit wechselnden gesellschaftlichen Orientierungen und (bündnis-)politischen Ausrichtungen, mit schwacher Ökonomie und Staatlichkeit sowie hohen Migrationsraten –, stellen die Untersuchungen zu individueller und institutioneller Einsprachigkeit und Mehrsprachigkeit zugleich ein Terrain für sprachwissenschaftliche Fallstudien und für Theoriebildung dar. In der Republik Moldova wird die Position der Einsprachigkeit explizit von staatlichen Apparaten wie dem Militär vertreten. Exemplarisch für die Analyse von Mehrsprachigkeit stehen die Untersuchungen zu den sprachlichen Minderheiten der Ukrainer, Gagauzen, Russen und Bulgaren, deren sprachliches Repertoire neben der jeweiligen Minderheitensprache weitere Sprachen umfasst, darunter Russisch und/oder Rumänisch/Moldauisch und ggf. noch weitere Sprachen. Ergänzend zur ursprünglich geplanten Forschungsperspektive zur institutionalisierten Ein- und Mehrsprachigkeit im nationalstaatlichen und im Minderheitenkontext, wie sie in den Fallstudien zum Militär (Fallstudie 1) und zu einer ukrainischen Schule in einem dominant ukrainischsprachigen Dorf (Fallstudie 2) realisiert wurden, erwies sich die Fokussierung des Erkenntnisinteresses auf weitergehende Forschungsfragen und -konzepte als unumgänglich: a) auf die individuellen sprachlichen Repertoires und deren Restrukturierung sowie auf deren Reichweite und Erreichbarkeit innerhalb der gesamtgesellschaftlichen und institutionellen sprachlichen Verhältnisse; b) auf die, neben einsprachig konzipierten und/oder funktionierenden Räumen, vielen vorhandenen Sphären des öffentlichen und privaten Lebens, die von der unterschiedlich ausgeformten Mehrsprachigkeit ihrer Akteure geprägt sind, wie es sich eindrucksvoll an den Untersuchungen in Krankenhäusern, Kliniken und Arztpraxen in der Autonomen Region Gagauzien (Fallstudie 3) darstellt. c) Es wurde außerdem deutlich, dass transnationale Migrationsprozesse insbesondere in Richtung westeuropäischer Länder wie Italien, Frankreich oder Portugal zu einer bedeutenden Umstrukturierung sprachlicher Repertoires und sogar der sprachlichen Verhältnisse in Moldova führen. Anhand der Fallstudie 4 zu einem italienischsprachigen Call Center in Chişinău zeigte sich, dass die Restrukturierung der sprachlichen Repertoires im Zuge von Remigration nach Moldova auch den ‚sprachlichen Markt’ in Moldova verändert, indem sie neue, z.T. einsprachige Räume in zuvor nicht oder nur gering verbreiteten Sprachen (z.B. in Italienisch) entstehen lässt. In dem Maße, wie die Datenerhebung und -analyse bezüglich der genannten Fallstudien voranschreitet, konzentriert sich die Diskussion im Rahmen einer Theorie der Sprachdynamik insbesondere auf die Beziehungen zwischen ‚Sprachausbau’ und der ‚Restrukturierung der sprachlichen Repertoires’. Bezugsspunkt für die Untersuchungen ist dabei die individuelle Perspektive von SprecherInnen im Hinblick auf die Dimensionen der ‚Aneignung’, der ‚Erreichbarkeit’ und der ‚Reichweite’ sprachlicher Register und Varietäten im Kontext von Mehrsprachigkeit.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2012), Ce limbi sunt vorbite în instituţiile medicale din Găgăuzia? Câteva aspecte privind dinamica linvistică, [dt: Welche Sprachen werden in medizinischen Institutionen in Gagauzien gesprochen? Einige Aspekte von sprachlicher Dynamik], in: Limba Română 11-12, 126-130
    Dumbrava, Vasile
  • (2013): "Sprachliche Dynamik in der Republik Moldova", in: Stehl, Thomas/ Schlaak, Claudia/ Busse, Lena (Hg.): Sprachkontakt, Sprachvariation, Migration: Methodenfragen und Prozessanalysen. Frankfurt am Main: Peter Lang, 307-332
    Erfurt, Jürgen / Weirich, Anna
  • (2013): Ausbau Events and the Linguist's Role in the Dynamics of Minorization in Northern Moldova, in: SLOVO, Vol. 25, 1 (Spring 2013), 65-82
    Weirich, Anna
 
 

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