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Die Bedeutung des Kolonialismus für die Entwicklung des Völkerrechts

Fachliche Zuordnung Grundlagen des Rechts und der Rechtswissenschaft
Förderung Förderung von 2010 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 171471489
 
Die Bedeutung des Kolonialzeitalters für die Entwicklung des Völkerrechts wird unterschätzt. Tatsächlich bereitete der Kolonialismus den Übergang von einem völkerrechtlichen Polyzentrismus, der sich durch Koexistenz unterschiedlicher regionaler Ordnungen auszeichnete, über das Ausgreifen des europäischen Völkerrechts auf Afrika und Asien die Entwicklung zur heutigen universellen Völkerrechtsordnung vor. Das Völkerrecht des Kolonialismus erhebt erstmals den Anspruch, Rechtsverhältnisse weltweit autoritativ zu regeln. Das Projekt zielt darauf ab, diese Metamorphose in der historischen Entwicklung des Völkerrechts zu bestätigen und die Kausalzusammenhänge zwischen früher Globalisierung, Kodifizierung des Völkerrechts und kolonialpolitischer Ausgrenzung nachzuzeichnen. Ermittelt werden soll darüber hinaus, inwieweit untergegangene nichteuropäische „Völkerrechts“-Ordnungen in kolonialzeitlichen Rechtsstrukturen fortwirkten und möglicherweise noch im gegenwärtigen (globalen oder regionalen) Völkerrecht Spuren hinterlassen. Aktuelle Rechtsstreitigkeiten um die Bewältigung kolonialer Konflikte beweisen, dass das universelle Völkerrecht schon deswegen keine befriedigenden Lösungen bereithält, weil es das „Ius Publicum Europaeum“, das europäische Völkerrecht, welches die Kolonien und ihre Bewohner benachteiligte, faktisch fortschreibt. Die intertemporale Anknüpfung für die Feststellung eines Völkerrechtsverstoßes in der Vergangenheit kann damit nur ordnungsimmanent erfolgen. Die „Opfer“ des Kolonialismus haben sich, vereinfachend formuliert, die Rechtsordnung der „Täter“ zu eigen gemacht. Auch wie das daraus folgende „postkoloniale Paradoxon“ – kein Ausgleich wegen späterer Partizipation – zu überwinden ist, wird zu prüfen sein. Ein Bedürfnis hierfür besteht jedenfalls. Koloniale Konflikte werfen ebenso wie der rigide Umgang der Kolonialmächte mit der Bevölkerung der unterworfenen Gebiete bis heute lange Schatten. So sind gegen ehemalige Kolonialmächte und zum Teil auch gegen deren staatszugehörige Unternehmen in den vergangenen Jahren Klagen erhoben worden, mit denen Schadensersatz für die Folgen von Handlungen gefordert wird, die in die Kolonialzeit fallen. Die rechtliche Bewältigung der – in manchen Fällen auch fälschlich - als Kolonialverbrechen apostrophierten Handlungen in der Gegenwart markiert eine aktuelle Dimension der Geschehnisse, neben die, unter anderem, die politische und wirtschaftliche Wiedergutmachung tritt. Insofern kann sich in der Tat die Frage nach der Notwendigkeit eines Rekurses auf alternative, vor allem in der früheren Kolonialzeit praktizierte internationale Rechtsmodelle stellen. Sie setzt allerdings die genaue Kenntnis der internationalen Praxis jener Zeit voraus. Das interdisziplinär angelegte Projekt versteht sich zwar als Beitrag zur Grundlagenforschung im Bereich der Geschichte und des Völkerrechts. Es soll darüber hinaus aber auch Impulse für die Lösung aktueller völkerrechtlicher Auseinandersetzungen vermitteln können.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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