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Das Handwerkerviertel von Selinunt. Die Töpferwerkstatt in der Insula S16/17

Fachliche Zuordnung Klassische, Provinzialrömische, Christliche und Islamische Archäologie
Förderung Förderung von 2010 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 172849452
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

In sieben Grabungskampagnen von 2010 bis 2016 ist es gelungen, die Töpferwerkstatt in der Insula S16/17 in der griechischen Koloniestadt Selinunt auf Sizilien freizulegen und zu dokumentieren. Es handelt sich um eine der wenigen komplett ergrabenen und vor allem um die größte bislang bekannte Keramikwerkstatt der griechischen Welt, die einerseits die Wirtschaft einer derartigen Metropole besser verstehen hilft, andererseits das bekannte Bild griechischer handwerklicher Produktion grundsätzlich verändert. Die Werkstatt mit einer Grundfläche von mehr als 1200 m² ist an einem Abhang gelegen und erstreckt sich auf vier Terrassen, die jeweils eine spezifische Funktion im Arbeitsablauf innehaben. Die oberste Terrasse diente vor allem der Aufbereitung des Tons mithilfe von Wasserinstallationen, die zweite der Fertigung der Produkte in einer großen Halle, die dritte Terrasse bestand aus offenen Höfen zum Trocknen der Waren sowie einem Verkaufsraum, auf der untersten Terrasse wurde die Keramik in vier gleichzeitig benutzen Öfen gebrannt, darunter ein Ofen von neuem Typus und bislang unbekannten Dimensionen. Werkzeuge, Halbfabrikate und Produktionsabfälle helfen, Produkte zu bestimmen und Arbeitsabläufe zu rekonstruieren. Die Werkstatt liegt in einem Werkstattviertel, das durch geomagnetische Prospektion in seinen Ausmaßen von etwa 1 km Länge am Rande der Stadt lokalisiert und in seiner Struktur mit über 40 Werkstätten und ca. 85 Öfen genauer charakterisiert werden kann. Es handelt sich um das erste bekannte regelrechte Handwerkerviertel einer griechischen Stadt. Die Untersuchungen haben ergeben, dass es um die Mitte des 6. Jhs. v. Chr. , einer Wachstums- und Monumentalisierungsphase der Stadt, angelegt und im Zuge der Eroberung Selinunts durch die Karthager 409 v. Chr. zerstört und nicht wieder benutzt wurde. Die gewonnenen Daten erlauben, eine hochspezialisierte Überschussproduktion an Keramik in der Stadt zu postulieren, die für den Export bestimmt gewesen sein muss. Dies erweitert die vorherrschende Ansicht, dass griechisches Handwerk vor allem subsistenzorientiert gewesen sei und in kleinen, familienbasierten Werkstätten betrieben wurde.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Das Handwerkerviertel von Selinunt. Die Töpferwerkstatt in der Insula S 16/17-E. Vorbericht zu den Kampagnen 2013–2014, Kölner und Bonner Archaeologica 4, 2014, 67-74
    M. Bentz – L. Adorno – J. Albers – V. Garaffa – A. Miß – J.M. Müller
  • Das Handwerkerviertel von Selinunt - Vorbericht zu den archaischen Strukturen der Kampagnen 2010-2016, KuBA 6, 2016, 59-74
    M. Bentz – L. Adorno – J. Albers – A. Benz – A. Miß – J.M. Müller
  • Il ruolo della produzione ceramica nella città della Grecia Classica, in: V. Caminneci – M.C. Parello – M.S. Rizzo (Hrsg.), La città che produce. Archeologia della produzione negli spazi urbani, Atti delle Giornate Gregoriane X Edizione 2016 (Bari 2018) 169-177
    M. Bentz
  • plínthoi optaí – Zur Verwendung gebrannter Mauerziegel in der griechischen Architektur. Neue Befunde aus Selinunt, in: H. Frielinghaus – Th. Schattner (Hrsg.), ad summum templum architecturae, Forschungen zur antiken Architektur im Spannungsfeld der Fragestellungen und Methoden, Kolloquium Mainz 2015 (Möhnesee 2018) 147-156
    M. Bentz
  • The role of ceramic production in the classical Greek city, in: M. Bentz – T. Helms (Hrsg.), Craft production systems in a cross cultural perspective, Studien zur Wirtschaftsarchäologie 1 (Bonn 2018) 101-112
    M. Bentz
  • Il quartiere industriale di Selinunte e l’officina dell’isolato S 16/17-E, in: Sicilia archeologica 111, 2019, 146-163; Selinunte (Sicilia): Produzioni ed economia di una colonia greca di frontiera (Castelvetrano 2019)
    M. Bentz
 
 

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