Grabbau und Gräberfeld eines römischen Gutshofs bei Frankfurt a.M.-Zeilsheim
Zusammenfassung der Projektergebnisse
2004/05 wurde in Frankfurt-Zeilsheim das Gräberfeld einer römischen Villa(?) ausgegraben. Besonderheiten unterscheiden es von anderen Friedhöfen des Limesgebiets: der frühe Beginn um 70/80 n. Chr., die prominente Lage nahe der Hauptstraße Mogontiacum-Nida und der älteste Grabbau rechts des Rheins. Selten sind steinerne Grabbauten und ihre zugehörigen Gräber wie hier gemeinsam überliefert. Die Rekonstruktion des Grabbaus erfolgte auf Basis von 3D-Scans der Bruchstücke und computergestützter Modulation. Durch die Auswertung des Grabbaus und der Gräber entsteht die Skizze des Lebensbildes einer Oberschichtfamilie im rechtsrheinischen Obergermanien von ihrem Aufstieg um 110/120 n. Chr. bis zu ihrem Verschwinden um 200 n. Chr. Die über 500 Bruchstücke von Architektur, Reliefs und Skulpturen stammen von einem zweistöckigen, einst ca. 8 m hohen Grabbau. Errichtet um 140/160 n. Chr., handelt es sich um ein frühes Exemplar einer am Rhein weiterentwickelten Variante hellenistischer Mausoleen. Das Zeilsheimer Denkmal ist ein selten fassbarer Übergangstypus sowohl hinsichtlich der Architektur (Übergang vom Mausoleum zum Reliefpfeiler) als auch des Bildschmucks (Pferdevorführung, Reliefpilaster). Das Bauwerk vereint „konservative“ bzw. retardierende Elemente aus dem 1. Jh. (Architekturordnung, mythologische Themen bzw. Pferdevorführung) mit „fortschrittlichen“ (geschlossenen Relieffassade, Figurenpilaster). Die wenigen Vergleiche stammen aus dem Treverergebiet und werden in die 1. Hälfte des 2. Jhs. datiert. Das Monument bestand aus Sandsteinen zweier verschiedener Lagerstätten, die bei Bad Vilbel bzw. im östlichen Odenwald oder dem südwestlichen Spessart zu lokalisieren sind. Die Grabinschrift fehlt, doch aus den Reliefresten lässt sich erschließen, dass der Auftraggeber Reiter einer ala war und als Veteran das römische Bürgerrecht erhielt (toga, Testamentrolle). Ein außergewöhnliches Gesichtsgefäß mit Inschrift barg eine der nächstliegenden und zugleich die reichste Bestattung im Gräberfeld. Die Buchstabenreste geben möglicherweise einen Hinweis auf die Mitgliedschaft eines Familienangehörigen in einer Vereinigung von Flößern. Flößerei bzw. Rohstoffhandel könnte eine Quelle des Wohlstands gewesen sein. Die Nekropole umfasst 41 Brandbestattungen, die sich entlang eines zweiphasigen Gräbchens, bei dem es sich vermutlich um die Grundstücksgrenze des Anwesens mit dem Territorium der römischen Fernstraße handelt, über rund 60 m Länge erstreckten. Die Gräber bilden drei Gruppen, von denen zwei bereits in flavischer Zeit einsetzten, wohingegen die dritte Gruppe um den mutmaßlichen Standort des Grabbaus erst mit diesem um die Mitte des 2. Jhs. entstand. Die unabhängig voneinander erzielten Datierungen mit Methoden der Klassischen und der Provinzialrömischen Archäologie stimmen überein. Bei der Auswertung von Grabbeigaben und -sitte überrascht, dass der Friedhof markante Unterschiede zu den Gräberfeldern der 12 km entfernten civitas-Hauptstadt Nida aufweist, z.B. die Beigabe von unverbrannten Glas- und Sigillatagefäßen, Terrakotten, Lampen und Münzen betreffend. Von Anfang an geben sich die Zeilsheimer als gut romanisiert zu erkennen (z.B. Lampen, Balsamarien, mediterrane Sitte der Trankspende, Kästchen in Frauengräbern), was eher für Einwanderer als für autochthone Bevölkerung spricht. Provinziale Komponenten stellen unverbrannte Gefäße aus Keramik und Glas, die charakteristisch für die frühen Gräber sind, und einzelne Fibeln dar. Die Heimat der mutmaßlichen Einwanderer lässt sich nur grob auf Ostgallien oder das Rheinland eingrenzen. Umbrüche in der Grabsitte (z.B. Rückgang der Urnen, Reduktion der Ausstattungen) Anfang des 2. Jhs. folgten überregionalen Trends. Um 200 n. Chr. brach das Gräberfeld ab. Der Grabbau wurde demontiert, die wieder verwendbaren Quader weitgehend abtransportiert. An der Stelle des ausgebrochenen Fundaments wurde ein 6 m tiefer Schacht ausgehoben, in dem man die übrigen Trümmerteile verlochte. Vergleichbare Deponierungen kennt man bisher nur von Götterweihungen, kaum jedoch von Grabmälern. Im Limesgebiet sind derartige Befunde – anders als in Zeilsheim – in die Zeit um 250/270 n. Chr. zu datieren. Diese rituelle Maßnahme „letzter Pietät“ ist vermutlich einem Besitzerwechsel geschuldet. Für die Beseitigung von Grabmälern und Gräbern infolge eines Besitzer- oder Nutzungswechsels der betreffenden Grundstücke lassen sich Beispiele anführen. Manchmal könnte sogar eine damnatio memoriae den Anlass dafür gegeben haben, evtl. auch hier. Lesefunde aus dem Bereich der bisher nur teilweise prospektierten Siedlung belegen, dass diese bis um die Mitte des 3. Jh. bestand. Die späteren Bewohner des Anwesens müssen ihre Nekropole folglich an einer anderen Stelle angelegt haben, wofür Beispiele benannt werden können.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Das römische Gräberfeld bei Zeilsheim. In: A. Hampel / E. Wamers, Fundgeschichten. Archäologie in Frankfurt 2010/2011 (Frankfurt a. M. 2011) 62 ff.
P. Fasold / Th. Flügen / A. Hampel
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Das Steinpuzzle aus Frankfurt-Zeilsheim. In: A. Hampel / E. Wamers, Fundgeschichten. Archäologie in Frankfurt 2010/2011 (Frankfurt a. M. 2011) S. 62 f.
P. Fasold / M. Tabaczek
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Grabbau und Gräberfeld eines römischen Gutshofs bei Frankfurt a. M.-Zeilsheim. Jahresber. RGZM 2011, 49-53
M. Scholz / M. Tabaczek
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Die Restaurierung der Funde aus Frankfurt-Zeilsheim. In: A. Hampel / E. Wamers, Fundgeschichten. Archäologie in Frankfurt 2010/2011 (Frankfurt a. M. 2012) 78
S. Martins
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Grabbau und Gräberfeld eines römischen Gutshofs bei Frankfurt a. M.-Zeilsheim. Jahresber. RGZM 2012, 49-51
M. Scholz / M. Tabaczek / G. Heinz
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Von Augustus bis Aurelian. Neue Forschungen zum römischen Frankfurt. In: F. M. Ausbüttel / U. Krebs / G. Maier (Hrsg.), Die Römer im Rhein-Main-Gebiet (Darmstadt 2012) 40-54, bes. 50-52
P. Fasold