The interaction of segmental and prosodic structure in speech production: A comparison of syndromes and an investigation of auditory rhythmical priming effects.
Human Cognitive and Systems Neuroscience
Final Report Abstract
Mit den Ergebnissen dieses Forschungsprojekts konnten wir den von unserer Arbeitsgruppe maßgeblich vertretenen integrativen Ansatz in der Modellierung von Sprechstörungen bei Patienten mit einer Schädigung linkshemisphärischer Kortexareale replizieren und erweitern. Unser Modellansatz beruht auf der Annahme, dass die „Pläne“ oder „Programme“, die den komplexen Mustern von Sprechbewegungen zu Grunde liegen, hierarchisch organisiert sind: Die elementarsten phonetisch relevanten motorischen Handlungen, als „artikulatorische Gesten“ bezeichnet (wie z. B. der Lippenschluss für die Laute /b/, /p/ oder /m/), werden durch erlernte und sehr flexible Koordinationsmuster der beteiligten Muskelgruppen bewerkstelligt. Diese wiederum verknüpfen sich in präziser zeitlicher Abstimmung mit den Gesten des Gaumensegels und des Kehlkopfs zu stimmhaften oder stimmlosen, nasalen oder oralen Lauten, und fügen sich, ebenfalls in bestimmten Phasenverhältnissen, zu Konsonant-Vokal-Verbindungen, und ganzen Silben zusammen. Die silbischen motorischen Muster sind am Ende Bestandteile übergeordneter rhythmischer („metrischer“) Einheiten, die sich zu Wörtern und Sätzen verbinden. Alle Komponenten dieser hierarchischen Architektur sind sprachspezifisch und sind Resultat langjährigen motorischen Lernens. Die Sprechapraxie – ein Syndrom das bei einer Schädigung ventraler motorischer und prämotorischer Kortexareale und der angrenzenden inferior-frontalen Rindenregion der linken Hemisphäre auftritt, resultiert nach unserer Annahme aus einer Auflösung erworbener sprechmotorischer Planungsprozesse. Die Fehlermuster sprechapraktischer Patienten legen die „Bruchstellen“ erworbener sprechmotorischer Planungsstrukturen frei. Die im Berichtszeitraum dieses Projekts durchgeführten Experimente haben insbesondere bestätigt, dass eine Manipulation der Anforderungen auf der höchsten, also der rhythmischen Ebene der motorischen Hierarchie zu vorhersagbaren Sprechfehlern auf der niedrigsten Ebene artikulatorischer Gesten führen. Waren diese Erkenntnisse bisher auf die Ebene einzelner, isoliert nachgesprochener Wörter beschränkt, konnten wir jetzt darüber hinaus zeigen, dass auch der rhythmische Kontext eines ganzen Satzes die Artikulation auf der Ebene einzelner Laute und Lautverbindungen in der Wortproduktion beeinflusst. Das experimentelle Paradigma, das wir dabei verwendet haben, weist auf eine Interaktion der auditiven Verarbeitung rhythmischer Strukturen gesprochener Sprache mit motorischen Planungsprozessen hin. Erstmalig wurden in diesen Experimenten auch Patienten mit Störungen höherer (phonologischer) Prozesse der Sprachlautproduktion eingeschlossen. Auch diese Patienten zeigten - in gleicher Weise wie die Sprechapraxiepatienten – eine sehr ausgeprägte Sensitivität für prosodische Einflussfaktoren, was auf eine strukturelle Homogenität von phonologischen und sprechmotorischen Planungsprozessen hinweist. Patienten mit Dysarthrien infolge eine Basalgangliendysfunktion (M. Parkinson) unterschieden sich dagegen nicht wesentlich von neurologisch gesunden Probanden. Unsere Ergebnisse haben inzwischen auch zu (erfolgreichen) Replikationsversuchen mit englischsprachigen Sprechapraxiepatienten in den USA geführt. Sie haben mit der Fokussierung auf die Interaktion rhythmisch-prosodischer und segmentaler Aspekte der Artikulation erheblichen Einfluss auf übungstherapeutische Behandlungskonzepte der Sprechapraxie. In einem kürzlich erschienenen deutschsprachigen Lehrbuch zur Sprechapraxie haben wir die theoretischen Grundlagen und klinischen Implikationen dieser Ergebnisse ausführlich dargestellt und hoffen damit neue Standards in der klinischen Versorgung sprechapraktischer Patienten in Deutschland zu setzen.
Publications
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