Politische Urteilsbildung in direktdemokratischen Verfahren. Eine Analyse des Volksentscheids über den Nichtraucherschutz in Bayern 2010
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt hat eine Analyse des Willensbildungsprozesses der bayerischen Bürger beim Volksentscheid über den Nichtraucherschutz im Jahr 2010 zum Ziel. Es betrat damit wissenschaftliches Neuland, da die Abstimmungsforschung in Deutschland sehr unterentwickelt war und ist. Gestützt auf ein Modell, das Bewertungen politischer Objekte und politisches Verhalten aus dem Zusammenspiel (relativ) stabiler Prädispositionen der Bürger einerseits und neuer, auf dem Wege politischer Kommunikation rezipierter (neutraler oder mit Wertungen versehener) Informationen andererseits resultieren sieht, wurden drei Fragenkomplexe untersucht. Erstens wurde die kognitive und kommunikative Resonanz des Volksentscheids unter den Stimmberechtigten analysiert. Es konnte eine infolge ressourcenarmer Kampagnen geringe Resonanz im Elektorat nachgewiesen werden, was u.a. an erheblichen Informationslücken abzulesen ist. Zweitens wurde die Beteiligung an dem Volksentscheid untersucht, was es erlaubt, einen Beitrag zu der auch international spärlichen Forschung zur Teilnahme an Referenden zu leisten. Es wurde gezeigt, daß die Determinanten der Abstimmungsbeteiligung systematisch von jenen der Wahlbeteiligung abweichen. Die Kampagnenrezeption begünstigte die individuelle Abstimmungsbeteiligung, trug aber wegen ihrer geringen Verbreitung wenig zur Steigerung der Gesamtbeteiligung bei. Unkenntnis über die Verfahrensregeln scheint einige Gegner des Gesetzesentwurfs „Für besseren Nichtraucherschutz“ von der Teilnahme an der Abstimmung abgehalten und damit zum deutlichen Erfolg des Entwurfs im Referendum beigetragen zu haben. Drittens wurden Dynamik und Determinanten von Abstimmungsabsicht und -verhalten betrachtet. Die Bestimmungsgründe des Abstimmungsverhaltens unterscheiden sich von den Determinanten des Wahlverhaltens, was auf die Relevanz des kommunikativen Kontexts bei der Erklärung individuellen politischen Verhaltens hindeutet. Auch entfalteten alltägliche Verhaltensgewohnheiten wie der Tabakkonsum bei der Urteilsbildung eine heuristische Wirkung. Schließlich wurde bislang gezeigt, daß anders als in bezug auf die Beteiligungsintention die in der angelsächsischen Wahlforschung regelmäßig replizierten Befunde zur Einstellungs-Verhaltens-Konsistenz in bezug auf die Abstimmungsintention nicht nachgewiesen werden können, was auf deren Kontextsensitivität hindeutet. Auch konnte deren mangelnde Robustheit gegenüber scheinbar vernachlässigbaren Operationalisierungsentscheidungen belegt werden, die vorliegende Befunde in Frage stellt und für größere methodische Sorgfalt in künftigen Analysen spricht.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Eine eindeutige Entscheidung nach resonanzarmer Kampagne. Überlegungen zum Volksentscheid über den Nichtraucherschutz in Bayern, in: Zeitschrift für Politikberatung 3, 2010, 457-461
Schoen, Harald
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2011: Abstimmungskampf, Informationsvermittlung und Stimmentscheidung beim Volksentscheid über den Nichtraucherschutz in Bayern, in: Feld, Lars P./Huber, Peter M./Jung, Otmar/Welzel, Christian/Wittreck, Fabian (Hrsg.), Jahrbuch für direkte Demokratie 2010, Baden-Baden: Nomos, 295-320
Schoen, Harald/Glantz, Alexander/Teusch, Rebecca
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2011: Raucher oder Nichtraucher – ist das die Frage? Wahlbeteiligung und Abstimmungsverhalten beim Volksentscheid über das Rauchverbot in Bayern, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 42, 492-502
Schoen, Harald/Glantz, Alexander/Teusch, Rebecca
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2012: Wählen und abstimmen - zwei Seiten einer Medaille? Eine Analyse am Beispiel des Volksentscheids zum Nichtraucherschutz in Bayern, in: Schmitt-Beck, Rüdiger (Hrsg.): Wählen in Deutschland, PVS-Sonderheft 45, Baden-Baden: Nomos, 514- 535
Schoen, Harald
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2013: Mehr Demokratie, aber nur für wenige? Der Zielkonflikt zwischen mehr Beteiligung und politischer Gleichheit, in: Leviathan 41, 94-120
Schäfer, Armin/Schoen, Harald