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Der Spiritismus und die modernen Medien (1770-1930)

Fachliche Zuordnung Religionswissenschaft und Judaistik
Förderung Förderung von 2011 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 182352342
 
Erstellungsjahr 2017

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt „Der Spiritismus und die modernen Medien (1770-1930)“ wurde im Rahmen des Verbundprojekts „Gesellschaftliche Innovation durch nichthegemoniale Wissensproduktion. ‚Okkulte’ Phänomene zwischen Mediengeschichte, Kulturtransfer und Wissenschaft, 1770 bis 1970“ von der DFG gefördert. Ziel des Projekts war, die Genese des Spiritismus als eines zentralen Faktors für die Mediengeschichte zu rekonstruieren. Besonders in den Blick geriet dabei der Transfer von nichthegemonialem, ‚okkultem’ Wissen auf naturwissenschaftliche und technische Innovationen sowie gesellschaftliche Wissenskulturen. Damit konnten zentrale Fragen des vorliegenden Projekts (in aller Vorläufigkeit kulturwissenschaftlicher Ergebnisse) beantwortet respektive Bausteine zu Antworten geliefert werden. A) Materiale Forschungsergebnisse: Insbesondere Vorstellungen eines erweiterten menschlichen Wahrnehmungsvermögens – dem Konzept einer ‚höheren Erkenntnis’ und von ‚sechsten’ oder sogar ‚siebten’ Sinnen – bildeten den Fokus der Untersuchung. Entwickelt und verbreitet wurden diese vor allem im Kontext mesmeristischer Debatten in der Zeit um 1800; deren zentrale Bedeutung bildet eine wichtige Erweiterung der bisherigen Forschung. Mesmeristische naturphilosophische Autoren, insbesondere Mediziner des frühen 19. Jahrhunderts, entwickelten Konzepte, die die physiologischen und (meta-)physischen Grundlagen von ‚Clairvoyance‘ erklären sollten. Spätere spiritistische Vorstellungen von den Modalitäten geistiger Kommunikation und Vermittlung sowie deren Interferenzen mit technischen Anwendungen sind ohne diese Vorläuferdebatten nicht denkbar. Mesmeristische Konzepte erweiterten Wahrnehmens wurden so zu einer Matrix für die menschlichen Medien im Spiritismus des 19. Jahrhunderts. B) Geschichtstheoretische/forschungspragmatische Ergebnisse: (1.) Zuschreibungen von Hegemonialität im 20. Jahrhundert für Traditionen im frühen 19. Jahrhundert waren nicht nur (erwartungsgemäss) unangemessen, sondern haben ein massives Forschungsdefizit zum Mesmerismus (außerhalb der Germanistik) nach sich gezogen (die Bedeutung für Wissenskulturen außerhalb Deutschlands bleibt weiterhin zu erforschen). (2.) Die künftige Forschung sollte stärker den (nur) heuristischen und analytischen Wert einer Kategorie wie (Nicht-)Hegemonialität reflektieren und stärker deren Gleichzeitigkeit oder Verschränkung von dem Wandel von (zugeschrieben) hegemonialen und nichthegemonialen Machtpositionen berücksichtigen, um die Komplexität historischer Entwicklungen angemessen zu erfassen. (3.) Die symmetrische Erforschung von „nichthegemonialen“ Traditionen hat in den vergangenen Jahren beträchtlich zugenommen und an Akzeptanz gewonnen, doch macht die vorliegende Arbeit deutlich, welche „Schätze“ in diesem Feld inhaltlich wie konzeptionell noch zu heben sind. (4.) Erst die Zusammenarbeit unterschiedlicher Disziplinen mit der Verschränkung von vor allem religions-, medien- und medizingeschichtlichen Perspektiven hat diese Ergebnisse möglich gemacht. Vor diesem Hintergrund war das Format des (leider so nicht mehr existierenden) Paketantrags eine fast ideale Möglichkeit, heterogene Forschungsfelder in einer begrenzten Anzahl von Projekten über eine gemeinsame systematische Frage zu verbinden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • „Hieroglyphensprache der Natur. Ausschnitte einer Ikonographie des Medienbegriffs“ (Interview mit Heinz Schott, zusammen mit Erhard Schüttpelz und Ehler Voss), in: Animismus. Revisionen der Moderne, hg. v. Irene Albers und Anselm Franke, Zürich 2012, 173-195
    Zander, Helmut; Erhard Schüttpelz und Ehler Voss
  • „Das Konzept der ‚Esoterik‘ im Bermudadreieck von Gegenstandsorientierung, Diskurstheorie und Wissenschaftspolitik. Mit Überlegungen zur konstitutiven Bedeutung des identitätsphilosophischen Denkens“, in: Aufklärung und Esoterik. Wege in die Moderne, hg. v. Monika Neugebauer-Wölk u.a., Berlin u.a. 2013, 113-135
    Zander, Helmut
  • „There is no Religion Higher than Truth. A Conversation between Helmut Zander and Iris Müller-Westermann on Spiritualism, Theosophy and Anthroposophy“, in: Hilma af Klint – A Pioneer of Abstraction (Ausst. Kat. Stockholm 2013), hg. v. Iris Müller-Westermann, Ostfildern 2013, 113-128
    Zander, Helmut
  • Von der Dämonologie zum Unbewussten. Die Transformation der Anthropologie um 1800 (Okkulte Moderne Bd. 1), Berlin/München/Boston 2015
    Sziede, Maren / Zander, Helmut (Hgg.)
  • „Jenseits der fünf Sinne. Sinneserweiterungen als Innovation um 1800“, in: Von der Dämonologie zum Unbewussten. Die Transformation der Anthropologie um 1800 (Okkulte Moderne Bd. 1), hg. v. Maren Sziede und Helmut Zander, Berlin/München/Boston 2015, 85-107
    Sziede, Maren
  • „Von der Dämonologie zum Unbewussten. Die Transformation der Anthropologie um 1800. Perspektiven auf eine gesellschaftliche Innovation durch ‘nichthegemoniale’ Wissensproduktion“, in: Von der Dämonologie zum Unbewussten. Die Transformation der Anthropologie um 1800 (Okkulte Moderne Bd. 1), hg. v. Maren Sziede und Helmut Zander, Berlin/München/Boston 2015, VII-XX
    Sziede, Maren / Zander, Helmut
  • Henry Steel Olcott: The Buddhist Catechism (India, 1881/1908) (2017). In: Björn Bentlage, Marion Eggert, Hans-Martin Krämer und Stefan Reichmuth (Hg.): Religious Dynamics under the Impact of Imperialism and Colonialism: BRILL, S. 472–485
    Bretfeld, Sven / Zander, Helmut
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1163/9789004329003_037)
 
 

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